RICHARD BOORBERG VERLAG

×

17.01.2023

  

Unternehmereigenschaft bei An- und Verkauf von Waren über Internetplattform

  

Liegt bei einem über viele Jahre nachhaltig ausgeübten Handel einer Privatperson auf der Internetplattform ebay, der auch hinsichtlich der Anzahl der Verkäufe von beträchtlichem Umfang war, eine nachhaltige, wirtschaftliche Tätigkeit vor, sodass die Veräußerungen der Umsatzsteuer unterliegen?

Veräußert ein Verkäufer auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über die Internetplattform ebay, liegt eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich unternehmerische Tätigkeit vor.

Die Aufzeichnungspflichten gehören nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt deshalb nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung.

Der Fall

Die Klägerin kaufte in den Streitjahren (2009 bis 2013) Gegenstände aus Haushaltsauflösungen an und bot sie auf der Internet-Auktions-Plattform ebay in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. Dazu legte sie vier Konten auf ebay an und eröffnete zwei Girokonten. Die Klägerin verkaufte 2009 auf 577 Auktionen, 2010 auf 1 057 Auktionen, 2011 auf 628 Auktionen, 2012 auf 554 Auktionen und 2013 auf 260 Auktionen Waren über ebay. Steuererklärungen gab sie nicht ab.

Das FA erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, in denen es die Betriebsausgaben und Vorsteuern in Höhe von 30%der Einnahmen schätzte. In den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre jeweils vom 20.05.2016 setzte das FA Umsatzsteuer in Höhe von 19% auf die festgestellten Einnahmen fest. Vorsteuerbeträge erkannte das FA nicht an.

FG: Klägerin tritt als Einzelhändlerin auf

Die Klägerin erhob nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG entschied, die Einnahmen seien zu Recht dem Grunde nach der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer unterworfen worden. Die Klägerin habe nicht nur privates Vermögen veräußert, sondern sei nach Würdigung der gesamten Umstände wie eine typische Einzelhändlerin aufgetreten. Dafür sprächen u.a. die Anzahl der über viele Jahre getätigten Verkäufe und der Aufwand. Sie habe An- und Verkäufe mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht getätigt und sei dauerhaft am Markt als Anbieter verschiedener Güter aufgetreten. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen den Ansatz von Betriebsausgaben mit Werten von 40% bzw. 80% des Nettoumsatzes für angemessen befunden habe, sei eine Schätzung der Betriebsausgaben bei der Einkommensteuer und Gewerbesteuerfestsetzung von 60% des Nettoumsatzes gerechtfertigt. Im Übrigen wies das FG die Klage ab. Das Urteil des FG wurde letztlich aufgehoben und an das FG zurückverwiesen.

Klägerin: Keine Einzelhändlerin sondern Privatperson

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin insbesondere die Verletzung materiellen Rechts. Sie sei nicht als Händlerin anzusehen, da sie weder ein Konzept, noch eine Organisation, noch Vorkenntnisse im Handel habe. Sie kaufe gelegentlich aus Haushaltsauflösungen und verkaufe die Gegenstände wieder über ebay für ein Mindestgebot von 1 €. Es sei wie bei einer Lotterie unsicher, ob Gewinne entstünden. Zahlreiche Gegenstände verkaufe sie deutlich unter Einkaufswert, andere werfe sie einfach weg. Sie habe auch nichts dafür getan, die Gegenstände gewinnbringend zu veräußern (z.B. Mindestpreise, Werbung, besondere Darstellung der Gegenstände, Auswahl gutgehender Gegenstände) und jedenfalls per Saldo keinen Gewinn erzielt. Ihr Ziel sei der Nervenkitzel bzw. die Spannung gewesen, zu welchem Preis die Gegenstände gekauft würden. Für sie sei es Zeitvertreib bzw. Hobby/ Liebhaberei gewesen. Bei ebay sei sie nur private Kundin gewesen.

Das FG habe auch nicht dargelegt, wann die Gewerblichkeit begonnen und geendet habe. Es müsse zunächst das Bestehen eines Gewerbebetriebs festgestellt werden, bevor mangels ordnungsgemäßer Buchführung zur Schätzung übergegangen werden könne. Zudem habe das FG keine anerkannte Schätzungsmethode gewählt. Eine Betriebsausgabenquote von 60% des Nettoumsatzes sei willkürlich. Der Schätzungsbescheid sei nichtig.

Die Klägerin beantragte sinngemäß, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung sowie die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 aufzuheben, hilfsweise die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG-Urteil ist aufzuheben, weil es das Umsatzsteuergesetz verletzt, indem es zu Unrecht die Festsetzung von Umsatzsteuer auf die (Brutto-)Einnahmen bestätigt hat. Die Sache ist insbesondere im Hinblick auf die Differenzbesteuerung UStG nicht spruchreif.

Die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz beträgt 19% der Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage ist das Entgelt. Entgelt war nach der in den Streitjahren geltenden Fassung dieser Vorschrift alles, was der Leistungsempfänger aufwendete, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Deshalb hätte die festzusetzende Umsatzsteuer in den angefochtenen Bescheiden aus den sog. (Brutto-)Einnahmen herausgerechnet werden müssen. Das wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung berücksichtigen müssen.

Dass die Klägerin mit ihrer Revision nicht die Verletzung dieser Vorschrift rügt, ist ohne Bedeutung. Denn stützt ein Revisionskläger sein Rechtsmittel in zulässiger Weise auf die Verletzung materiellen Rechts, prüft der BFH nach dem Grundsatz der Vollrevision das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein.

Beurteilung entspricht unionsrechtlicher Grundlage

Diese Beurteilung entspricht auch der unionsrechtlichen Grundlage. Danach ist die Besteuerungsgrundlage die vom Steuerpflichtigen tatsächlich erhaltene Gegenleistung, wobei die Mehrwertsteuer nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen ist. Die Gegenleistung beinhaltet somit im Gegensatz zur Bemessungsgrundlage den Steuerbetrag. Denn wird z.B. ein Kaufvertrag ohne Hinweis auf die Mehrwertsteuer abgeschlossen und kann der Lieferer die später von der Steuerbehörde verlangte Mehrwertsteuer vom Erwerber nicht wiedererlangen, hätte die Berücksichtigung des Gesamtpreises ohne Abzug der Mehrwertsteuer als Grundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer zur Folge, dass die Mehrwertsteuer diesen Lieferer belasten würde, und verstieße somit gegen den Grundsatz, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchssteuer handelt, die vom Endverbraucher zu tragen ist. Dabei ist der vereinbarte Betrag auch dann in Entgelt und in die darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen, wenn die an der Leistung Beteiligten z.B. rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer vereinbaren.

Im Ergebnis zu Recht entschieden hat das FG, dass die streitigen Leistungen der Klägerin der Umsatzsteuer unterliegen.

RdW-Redaktion
Quelle:
BFH, Urteil vom 12.05.2022 – V R 19/20.