RICHARD BOORBERG VERLAG

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04.09.2019

  

Text auf kleinem Notizzettel als wirksames Testament?

   

Auch ein nur wenige Quadratzentimeter großer, handschriftlich beschriebener Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament darstellen. Der Wirksamkeit eines solchen Notizzettel-Testaments steht – wenn ein anderes Testament existiert – jedoch entgegen, dass der Notizzettel nicht datiert ist und so sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit seiner Errichtung nicht anderweitig treffen lassen. Auch muss aus dem Text eindeutig der Testierwille des Erblassers ersichtlich sein sowie diejenige Person, die sein Erbe sein soll (OLG Braunschweig).

Ein Ehepaar errichtete im März 2001 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Die Eheleute gaben das Testament in besondere amtliche Verwahrung des Amtsgerichts. Im Jahr 2013 verstarb der Ehemann; die kranke Ehefrau erteilte Frau A eine notarielle Vorsorgevollmacht. Im Januar 2015 verstarb die Witwe und hinterließ lediglich weitläufige Verwandte.

Die bevollmächtigte A beantragte mit notarieller Urkunde im Mai 2015 einen auf sie als Alleinerbin lautenden Erbschein und reichte einen nicht datierten, wenige Zentimeter großen quadratischen Notizzettel mit folgendem handschriftlich geschriebenen Text bei dem Nachlassgericht ein:

»Wenn sich für mich [Vor- und Nachname], geboren am [Geburtsdatum] einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt, der bekommt mein Haus und alles was ich habe [Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]«.

Das Nachlassgericht weigerte sich, einen Erbschein zu erteilen. Hierüber kam es zum Streit.

Letztlich entschied das Oberlandesgericht Braunschweig, dass das »Notizzettel-Testament« kein wirksames Testament war.

Auch letzter Wille auf Notizzettel kann wirksam sein

Zunächst stellte das Gericht fest, dass der handschriftlich beschriebene Zettel grundsätzlich als Testament im Betracht komme. Es sei nicht erforderlich, dass hierzu etwa Briefpapier DIN A4 o. ä. benutzt werde. Hier fehlte zwar die Ortsangabe, die gemäß § 2247 Abs. 2 BGB jedoch nicht zwingend ist, denn der Erblasser »soll« in der Erklärung lediglich angeben, an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.

Fehlende Zeitangabe

Allerdings ergab sich die Ungültigkeit des Testaments daraus, dass der Zeitpunkt der Errichtung nicht sicher feststellbar war. Deshalb war es grundsätzlich möglich, dass der Testamentstext – so es sich überhaupt um ein Testament handelte – bereits zeitlich vor dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament vom 28.03.2001 errichtet worden war. In diesem Fall wäre das spätere privatschriftliche Testament wirksam, da bei mehreren letztwilligen Verfügungen das spätere Testament gilt.

Hier war es durchaus möglich, dass die Erblasserin den nicht datierten Notizzettel zeitlich bereits vor dem gemeinschaftlichen Testament im Jahr 2001 verfasst hatte. Ob dies der Fall gewesen war, konnte das Gericht jedoch dahinstehen lassen, da eine weitere Voraussetzung für die Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments hier nicht zweifelsfrei feststellbar war, nämlich der sogenannte Testierwille des Erblassers.

Zweifelhafter Testierwille

Grundsätzlich kann in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Schriftstück, etwa in einem Brief oder auch einem Notizzettel, der letzte Wille des Erblassers enthalten sein, selbst wenn dieses Schriftstück der äußeren Form nach nicht eindeutig als Testament erkennbar ist. Eine letztwillige Verfügung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Verfassers beruht, also dem ernsthaften Vorhaben, ein rechtsverbindliches Testament errichten zu wollen.

Es muss also außer Zweifel stehen, dass der Verfasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat, und es sich nicht etwa lediglich um einen bloßen Entwurf, eine Ankündigung o. Ä. gehandelt hat.

Hier waren nach Auffassung des Gerichts ernsthafte Zweifel am Testierwillen der Erblasserin anzumelden. Schon die äußere Form begründete diese Zweifel: Wie anhand des von ihr und ihrem Mann gemeinschaftlich verfassten privatschriftlichen Testaments vom März 2001 ersichtlich war, kannte sie sehr wohl die üblichen Gepflogenheiten beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments; sie hatte den gesamten Text handschriftlich geschrieben und unterschrieben, ihr Ehemann ihn lediglich mitunterzeichnet, was ausreichend ist. Außerdem enthielt der damalige Text neben Orts- und Datumsangabe insbesondere eine eindeutige Formulierung zur Erbeinsetzung (»Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein«). Obwohl also die Erblasserin bereits einmal in dieser Form testiert hatte, fehlte all dies auf dem Notizzettel. Schließlich legte auch die Formulierung des Textes Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens. Dass derjenige, der »für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt das Haus bekommen solle«, war völlig unbestimmt. Dies könnten etwa aufmerksame Nachbarn sein, die einmal klingeln und nachfragen, wenn sie die Frau einige Zeit nicht wie gewohnt außerhalb des Hauses gesehen haben; auch Bekannte oder Verwandte, die ihr Aufmerksamkeit geschenkt hatten, kämen in Betracht, ebenso Personen, die bei Schriftverkehr und finanziellen Angelegenheiten halfen, Haushaltshilfen oder Personen, die bei der körperlichen Pflege unterstützt hatten.

Somit fehlt es neben dem ernsthaften Testierwillen auch an einer irgendwie gearteten Bestimmtheit des angeblich eingesetzten Erben.

Somit war der Notizzettel kein wirksames Testament, sodass es bei der gesetzlichen Erbfolge verblieb.

Anmerkung:

Das Oberlandesgericht Braunschweig stellt hier nochmals klar: Auch ein kleiner Notizzettel kann grundsätzlich als wirksames Testament anerkannt werden. Neben der Zeitangabe muss sich aus dem Text jedoch eindeutig ergeben, wer Erbe sein soll. Bei einer klaren und bestimmten Erbenbestimmung dürfte zumeist auch dem Unterstellen eines Testierwillens nichts im Wege stehen.

Grundsätzlich ist bei der Abfassung handschriftlicher Testamente unbedingt zu beachten, dass der komplette Text handschriftlich verfasst ist (also insbesondere kein Maschinentext verwendet wird) und persönlich handschriftlich unterschrieben ist mit Datumsangabe.

Klaus Krohn
Quelle:
Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 20.03.2019 – 1 W 42/17