RICHARD BOORBERG VERLAG

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27.04.2020

  

Testament: Welche Personen sind »unsere gemeinsamen Abkömmlinge«?

  

Die Formulierung in einem gegenseitigen Testament zweier Ehegatten, wonach Erben des letztversterbenden Ehegatten »unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge« sein sollen, umfasst nicht nur die gemeinsamen Kinder der Eheleute, sondern auch ihre Enkel und Urenkel (OLG Oldenburg).

Wenn Ehegatten ein gemeinsames Testament verfassen, setzen sie sich häufig zunächst gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des Zweitversterbenden sollen dann meist die Kinder erben, oder auch Dritte oder Institutionen.
All das kann in einem Testament festgelegt werden. Unterbleibt dies, so gilt die gesetzliche Erbfolge, also die Rechtslage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Wenn man jedoch ein Testament verfasst, muss dies unbedingt eindeutig formuliert sein. Ist der Wortlaut nicht eindeutig, so muss das Testament später ggf. gerichtlich ausgelegt werden. Das kann dazu führen, dass der so festgestellte Inhalt des Testaments möglicherweise nicht mehr dem eigentlich bezweckten Willen der beiden testierenden Ehegatten entspricht.
Auch das Oberlandesgericht Oldenburg hatte sich mit einem solchen Fall der Auslegung eines Testaments zu befassen.

Der Fall

Ein Ehepaar setzte sich in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Erben des Letztversterbenden sollten »unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen« sein. Der überlebende Ehegatte sollte allerdings ausdrücklich noch die Erbfolge »unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern« können.
Nach dem Tod des Ehemanns setzte die überlebende Ehefrau tatsächlich in einem zweiten Testament ihre eine Tochter (A) und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die andere Tochter (B) sollte von der Erbfolge damit ausgeschlossen sein.
Nach dem Tod der Mutter wollte die Tochter B dieses Testament anfechten. Denn ihre Eltern hätten zu Lebzeiten verfügt, dass nur die »gemeinschaftlichen Abkömmlinge« als Erben eingesetzt werden könnten. Unter »gemeinschaftliche Abkömmlinge« seien aber nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen, die Erbeinsetzung des Enkelsohns sei nicht möglich.
Daher sei die testamentarische Verfügung der Mutter unwirksam mit der Folge, dass Erben nach dem gemeinsamen Testament daher weiterhin alle Kinder der Eheleute seien.
Das Oberlandesgericht Oldenburg sah dies anders und hielt die testamentarische Verfügung der Mutter für wirksam. Auch Enkel und Urenkel sind »Abkömmlinge«.
Die Vorinstanz hatte die Auffassung vertreten, Erben seien die gemeinsamen Kinder der Eheleute geworden und die Einsetzung des Enkels durch die Ehefrau (Großmutter) sei nach dem gemeinsamen Testament nicht mehr möglich gewesen.
Dem erteilte das Oberlandesgericht Koblenz jedoch eine Absage.
Das Wort »Abkömmlinge« sei nicht allein auf Kinder beschränkt. »Abkömmlinge« umfasse auch Enkel, Urenkel usw. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB). Hätten die Eheleute tatsächlich nur ihre Kinder als spätere Erben einsetzen wollen, so hätten sie auch den Begriff
»Kinder« gewählt. Es sei überdies plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleich behandeln wollten. Denn häufig hätten die eigenen Kinder beim Versterben der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung, während die Enkel und evtl. Urenkel sich noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssten und eher finanzielle Unterstützung nötig hätten.
Es sei letztlich auch nachvollziehbar, dass die testierenden Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängig sein sollte, ob deren Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. 09. 2019 – 3 U 24/18