Ein Radfahrer unternahm mit seinem Mountainbike eine Tour. Er bog von einer für den Kfz-Verkehr gesperrten Straße in einen unbefestigten Feldweg ab. Kurz danach befand sich auf dem Weg eine Absperrung. Diese bestand aus zwei in der Mitte des Weges befindlichen senkrechten Holzlatten, an denen ein Verbotsschild für Kraftfahrzeuge befestigt war und die durch zwei waagerecht verlaufende Stacheldrähte in der Höhe von 60 cm und 90 cm gehalten wurden. Diese waren ihrerseits seitlich des Feldwegs an Holzpfosten befestigt.
An einem der Holzpfosten konnten die Stacheldrähte gelöst werden, um die Absperrung zu öffnen. Dies war eingerichtet, um dem örtlichen Jagdpächter den weiteren Zugang zu ermöglichen. Dieser nutzte den Feldweg regelmäßig, um zu einer hinter der Absperrung gelegenen Wiese zu gelangen, wo sich ein mobiler Hochsitz befand.
Als der Mountainbiker die über den Feldweg gespannten Stacheldrähte bemerkte, führte er eine Vollbremsung durch; dennoch gelang ihm nicht, sein Mountainbike rechtzeitig vor der Absperrung zum Stehen zu bringen.
Er erlitt schwerste Halswirbelverletzungen und ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt.
Er verlangte sowohl von der Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast als auch vom Jagdpächter, der das Drahthindernis errichtet hatte, Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Die Klage hatte beim Bundesgerichtshof weitgehend Erfolg; der Radfahrer musste sich jedoch ein Teilverschulden zurechnen lassen.
Verkehrssicherungspflicht verletzt
Der Bundesgerichtshof ging von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinde und den Jagdpächter aus. Ein quer über einen für die Nutzung durch Radfahrer zugelassenen Weg gespannter, nicht auffällig gekennzeichneter Stacheldraht sei grob verkehrswidrig. Ein solches Hindernis sei wegen seiner schweren Erkennbarkeit und der daraus folgenden Gefährlichkeit völlig ungewöhnlich und geradezu als tückisch anzusehen, sodass ein Radfahrer hiermit nicht rechnen müsse.
Dem Radfahrer sei auch nicht anzulasten, dass er gegen das Sichtfahrgebot verstoßen habe. Dieses Gebot verlange zwar, dass der Fahrer vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet, anhalten kann. Dies gilt jedoch nicht für solche Hindernisse, die zwar im Sichtbereich seien, die aber aus größerer Entfernung noch nicht erkennbar seien, also etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar seien und auf die nichts hindeute. Anderenfalls dürfte sich ein Radfahrer stets nur mit minimalem Tempo bewegen, um noch rechtzeitig anhalten zu können. Hieran ändere im vorliegenden Fall auch das angebrachte Verkehrsschild nichts. Im Gegenteil: Es erweckte durch das Verbot für Fahrzeuge den Eindruck, der Weg sei für Fahrradfahrer frei passierbar.
Mitverschulden des Mountainbikers
Grundsätzlich hafteten somit die Gemeinde und auch der Jagdpächter für das Unfallereignis. Allerdings war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Radfahrer teilweise an dem Unfall mitschuldig. Denn er habe trotz des sehr unebenen und unbefestigten Feldwegs statt der normalen Fahrradpedale sog. Klickpedale benutzt. Bei diesen ist die Gefahr zu stürzen erheblich größer, sofern es der Radfahrer nicht schafft, sich schnell genug aus dem Pedal auszuklicken.
Dieser Umstand – so das Gericht abschließend – rechtfertige einen Mitverschuldensvorwurf zulasten des Mountainbikers in Höhe von 25 % des entstandenen Schadens, sodass die Gemeinde und Jagdpächter zusammen in Höhe von 75 % auf Schadenersatz und Schmerzensgeld hafteten.