RICHARD BOORBERG VERLAG

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12.01.2022

    

Solarmodule in Freiland-Photovoltaikanlage: Wem gehören die Module?

  

Der Bundesgerichtshof hat sich in vier Verfahren zu einem möglichen Eigentumserwerb an Modulen einer Photovoltaikanlage geäußert und die rechtlichen Voraussetzungen dafür definiert. Zur Feststellung dazu notwendiger Tatsachengrundlagen hat das Gericht die Urteile verschiedener Oberlandesgerichte aufgehoben und die Verfahren an diese zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Insolvenzverwalter verkauft Photovoltaik-Module

Ein Insolvenzverwalter eines Unternehmens hatte im Jahre 2010 eine Freiland- Photovoltaikanlage mit 5.000 Photovoltaikmodulen, die zuvor auf dem Grundstück eines anderen errichtet worden waren, erworben. Die Module der Anlage wurden noch im selben Jahr an 65 Kapitalanleger verkauft, die auch Eigentümer der Module werden sollten. Über das Vermögen dieses Unternehmens wurde dann im März 2016 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter begehrte in verschiedenen Gerichtsverfahren die Feststellung, dass die jeweiligen Anleger nicht Eigentümer dieser Module geworden sind. Drei der vier beklagten Anleger haben vor verschiedenen Oberlandesgerichten obsiegt, in einem Verfahren setzte sich der Verwalter aber durch.

Solarmodule können Gegenstand besonderer Rechte sein

Der BGH hat auf die Revision des Mannes hin in drei Fällen und auf die Revision eines Anlegers alle vier Berufungsurteile der verschiedenen OLG aufgehoben und an die jeweiligen Gerichte zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei stützten sich die Richter auf folgende Erwägungen: Zunächst führten sie aus, dass die jeweiligen Anleger nur dann Eigentümer der Module geworden sind, wenn zum Zeitpunkt der Übereignung diese sonderrechtsfähig gewesen wären. Dies wäre nicht der Fall, wenn sie entweder wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 BGB) oder der Photovoltaikanlage (§ 93 BGB) waren. Der BGH stellte dazu einleitend fest, dass die gesamte Photovoltaikanlage selbst nicht gemäß § 94 Abs. 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, weil sie nicht fest damit verbunden ist und am Ende ihrer vertraglichen Nutzung auch wieder abgebaut werden sollte. Die Eigenschaft eines wesentlichen Bestandteils ergibt sich auch nicht aus § 94 Abs. 2 BGB, weil die gesamte Anlage, die aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen und Schienen bestand, sowie die darin eingesetzten Module kein Gebäude im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Dazu hätte sie aus klassischen Baustoffen gebaut sein und von einer Größe und Komplexität sein müssen, dass eine Beseitigung die Zerstörung und den Verlust der Funktionalität zur Folge hätte haben müssen. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.

Nach BGH nicht ausgeschlossen, dass Module wesentliche Bestandteile der Anlage sind

Der BGH weist im Folgenden darauf hin, dass eine Sonderrechtsfähigkeit der Module dann aber ausgeschlossen sein kann, wenn nach § 93 BGB die Module wesentliche Bestandteile der Gesamtphotovoltaikanlage geworden sind. Bei der Beurteilung dieser Frage komme es laut Gericht auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts und darauf an, welche Folgen der gedachte Ausbau der Module in diesem Zeitpunkt gehabt hätte. Es gehe vorliegend nicht darum, ob bestehende Rechte Dritter infolge einer Verbindung untergegangen seien, sondern ob diese Rechte an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache (Photovoltaikanlage inklusive Solarmodule) eingefügt sei. Die Richter nahmen an, dass bei einem unterstellten Ausbau der Module vergleichbare auf dem Markt verfügbar gewesen wären und folgert daraus eine Sonderrechtsfähigkeit der Module im vorliegenden Fall. Insoweit hält er noch weiteren Tatsachenvortrag der Parteien für notwendig. Ebenso haben die Berufungsgerichte nach Ansicht des BGH noch festzustellen, ob die jeweiligen Module in den der Übereignung zugrunde liegenden Lageplänen hinreichend deutlich gekennzeichnet waren, um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen. Insoweit hat der BGH die vier Verfahren an die OLG zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Tatjana Wellenreuther
Quelle:
Bundesgerichtshof, Urteile vom 22.10.2021 – V ZR 225/19; V ZR 8/20; V ZR 44/20; V ZR 69/20