RICHARD BOORBERG VERLAG

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04.04.2022

     

Sekundärsanktionen: Vertragskündigung der Telekom mit iranischer Bank unwirksam?

   

Laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist der Verstoß gegen eine EU-Verordnung mit dem Ziel, Sanktionen der USA gegen den Iran abzuwehren, allein dann zulässig, wenn dem kündigenden Unternehmen ansonsten unverhältnismäßige Auswirkungen drohen.

Telekom kündigt Verträge mit Melli-Bank

Die Telekom schloss mit der Bank Melli Iran Verträge über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Laut dem EuGH wollte die Bank, die im Eigentum des iranischen Staates steht und eine Zweigniederlassung in Hamburg hat, damit ihre Geschäftstätigkeiten entfalten. 2018 kündigte die Telekom alle Verträge mit der Hamburger Niederlassung – ohne Begründung. Die Bank sah die Kündigung als rechtswidrig an. Die von der Telekom bereitgestellten Dienstleistungen bildeten die ausschließliche Grundlage für die internen und externen Kommunikationsstrukturen der Bank in Deutschland. Sie seien für ihre Geschäftstätigkeit unerlässlich. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) war fraglich, ob die Telekom mit der Kündigung gegen EU-Recht zur Abwehr von US-Sanktionen gegen den Iran verstoßen hatte und diese damit unwirksam ist.

Blocking-Verordnung

Hintergrund ist die sogenannte Blocking-Verordnung der EU (Verordnung (EG) Nr. 2271/ 96). Diese untersagt es europäischen Unternehmen unter Androhung von Strafen, ausschließlich aus Befürchtungen vor US-Sanktionen Geschäftsbeziehungen zum Iran abzubrechen. Die Telekom erwirtschaftet nach Angaben des EuGH etwa die Hälfte ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten.

EuGH: Drohten unverhältnismäßige Auswirkungen?

Das OLG legte die Frage dem EuGH vor. Aus Sicht der Richter in Luxemburg ist ein Verstoß gegen die EU-Regelung zur Abwehr von Sanktionen der USA gegen den Iran nur dann zulässig, wenn dem Unternehmen andernfalls unverhältnismäßige Auswirkungen – insbesondere wirtschaftlicher Natur – drohen.

OLG muss entscheiden

Nun muss das Hanseatische OLG entscheiden, ob die ausgesprochene Kündigung der Telekom rechtens ist. Aus Sicht des Telekommunikationsunternehmens berührt die Blocking- Verordnung der EU nicht ihr Recht, Verträge ohne Angaben von Gründen ordentlich zu kündigen.

Hintergrund

Nachdem sich 2018 die USA aus dem iranischen Atomabkommen zurückgezogen hatten, verhängten sie in der Folge auf Grundlage des sogenannten Iran Freedom and Counter- Proliferation Act of 2012 (Gesetz von 2012 über die Freiheit und die Bekämpfung der Proliferation im Iran) erneut Sanktionen gegen den Staat sowie in einer Liste genannte Personen. Dazu gehörte auch die Melli Bank. Seitdem ist es für jedermann verboten, außerhalb des Gebiets der Vereinigten Staaten Geschäftsbeziehungen mit den Personen zu unterhalten, die auf dieser Liste stehen. Mit den angedrohten Strafen wollten die USA es erreichen, dass sich auch Unternehmen weltweit an die gegen den Iran verhängten Strafmaßnahmen halten.

In der Folge erließ die Union die Delegierte Verordnung 2018/11002. Mit der Regelung wurde der Anhang der Verordnung Nr. 2271/ 963 dahingehend geändert, dass das Gesetz von 2012 über die Freiheit und die Bekämpfung der Proliferation im Iran aufgenommen wurde. Darin wird insbesondere den genannten Personen verboten, den im Anhang aufgeführten Gesetzen oder sich daraus ergebenden Maßnahmen nachzukommen, soweit keine Ausnahmegenehmigung vorliegt. Eine solche kann dann von der Europäischen Kommission erteilt werden, wenn die Interessen der von der Verordnung erfassten Personen oder der Union dadurch, dass Rechtsvorschriften von Drittländern nicht befolgt werden, schwer geschädigt würden. Die Telekom besaß hier keine solche Ausnahmegenehmigung.

Die EU-Verordnung regelt im Übrigen auch, dass EU-Unternehmen für mögliche Kosten und Verluste durch US-Sekundärsanktionen einen Anspruch auf Entschädigung haben können. „Das unionsrechtliche Verbot, den Sekundärsanktionen nachzukommen, die die Vereinigten Staaten gegen Iran verhängt haben, kann in einem Zivilprozess geltend gemacht werden“, heißt es in der Mitteilung des EuGH.

Anna Kristina Bückmann
Quelle:
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.12.2021 – C-124/20