Seit Herbst 2015 ist der sog. Diesel-Skandal verschiedener Fahrzeughersteller bekannt und hat die Gerichte in zahllosen Prozessen beschäftigt. Nunmehr hatte aktuell der Bundesgerichtshof die Gelegenheit, grundsätzlich über Schadenersatzansprüche von Käufern solcher manipulierten Autos zu entscheiden.
Der Sachverhalt
Ein Mann erwarb im Januar 2014 bei einem Autohändler einen gebrauchten VW-Sharan 2.0 zum Preis von 31500 €. Das Fahrzeug war mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet. Der Tachostand betrug 20000 km.
Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde; in diesem Fall schaltete die Software in den Abgasrückführungsmodus 1, einen stickoxid-optimierten Modus. Hierbei fand eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt.
Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltete der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate deutlich geringer und der Stickoxidausstoß höher waren.
Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand maßgeblich. Im September 2015 räumte der Fahrzeughersteller öffentlich die Verwendung einer manipulierten entsprechenden Software ein. Das Kraftfahrtbundesamt ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus. Der Hersteller ließ daraufhin Software-Updates durchführen, mit denen die Abschaltsoftware aus allen Fahrzeugen mit den Motoren des Typs EA189 entfernt werden sollten. Anschließend wurden die betroffenen Fahrzeuge nur noch im adaptieren Modus 1 betrieben, also auch im echten Fahrbetrieb.
Der Käufer des Fahrzeugs verlangte Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 31500 € bei gleichzeitiger Rückgabe des Fahrzeugs.
Beim Bundesgerichtshof hatte die Schadenersatzklage weitgehend Erfolg; allerdings musste sich der Käufer auf den zurückzuzahlenden Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitlich zurückgelegten Fahrtkilometer anrechnen lassen.
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
Nach Auffassung des Gerichts haftete der Fahrzeughersteller aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Käufers. Der Hersteller hatte auf der Grundlage einer für seinen Konzern getroffenen, grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe A189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht; deren Motorsteuerungssoftware war bewusst und willentlich so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte durch eine unzulässige Abschalteeinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten waren. Durch diese Maßnahme erhöhte sich einerseits die Belastung der Umwelt mit Stickoxiden, andererseits bestand die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Stilllegung des Fahrzeugs erfolgen konnte.
Ein solches Verhalten des Fahrzeugherstellers sei im Verhältnis zum Käufer eines solchen Fahrzeugs besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Dies gelte auch, wenn es sich – wie hier – um den Kauf eines Gebrauchtwagens handele.
Manipulationen waren dem Vorstand zurechenbar
Die grundlegende strategische Entscheidung hinsichtlich der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs den für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den verantwortlichen vormaligen Vorständen zuzurechnen. Diese hatten zumindest die jahrelange Umsetzung des Einbaus der Abschaltsoftware gekannt und gebilligt.
Schadensberechnung
Der Käufer war durch die arglistige Täuschung des Herstellers eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Sein Schaden lag darin, dass er ein Fahrzeug erhalten hatte, das für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Er könne daher vom Hersteller Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs verlangen. Hierbei müsse er sich allerdings die Nutzungsvorteile hinsichtlich der zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, da er nicht bessergestellt werden dürfe, als er ohne den ungewollten Kaufvertragsabschluss stünde.
Anmerkung:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wirkt unmittelbar zwar nur zwischen dem betroffenen Käufer im Prozess und dem Hersteller VW AG. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Hersteller nunmehr allen anderen einzelnen Klägern der zahlreichen anhängigen Verfahren Vergleichsangebote unterbreiten wird.