RICHARD BOORBERG VERLAG

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19.06.2023

       

Schachtelprivileg bei Beteiligungen

  

Vor dem Finanzgericht Düsseldorf wurde über die Hinzurechnung einer Gewinnausschüttung bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags diskutiert.(1)

Die Klägerin ist eine GmbH, die am 15.12.2015 gegründet wurde. Ihr alleiniger Gesellschafter ist A, der ebenfalls alleiniger Gesellschafter der Firma B GmbH ist. Die Klägerin ist zudem Komplementärin der C GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist wiederum A ist.

Mit notarieller Urkunde vom 18.04.2016 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, das Stammkapital durch Ausgabe eines neuen Geschäftsanteils im Nennbetrag zu erhöhen. Die auf den neuen Geschäftsanteil zu leistende Stammeinlage war nicht in Geld zu erbringen, sondern im Wege des Anteilstauschs dadurch zu leisten, dass A als Übernehmer des neuen Geschäftsanteils die von ihm gehaltene Beteiligung an der B GmbH in die Klägerin einbringt. Die Abtretung des Geschäftsanteils erfolgte mit sofortiger Wirkung. Die Anteile an der B GmbH wurden zuvor im Sonder-Betriebsvermögen des Herrn A bei der C KG bilanziert. Die eingebrachte Beteiligung wurde von der Klägerin mit dem Buchwert angesetzt und als sog. qualifizierter Anteilstausch behandelt.

Im September 2016 führte die Klägerin als nunmehrige Alleingesellschafterin der B GmbH eine Gewinnausschüttung durch.

Nach Abgabe der Gewerbesteuererklärung 2016 wies das beklagte Finanzamt (FA) mit Schreiben vom 24.09.2018 darauf hin, dass es beabsichtige, von der Erklärung insoweit abzuweichen, als 95% der Dividende dem Gewinn nach § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzuzurechnen seien, da die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG nicht erfüllt seien, und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Schreiben blieb unbeantwortet.

Mit Gewerbesteuermessbescheid 2016 ließ das FA bei der Berechnung des Gewerbeertrags die Gewinnausschüttung gekürzt um 5% (nach § 8b Abs. 5 KStG) zunächst außer Ansatz, rechnete die Dividende aber sodann zu 95% wieder hinzu. Zur Begründung führte es aus, dass die Beteiligung nicht schon zu Beginn des streitgegenständlichen Erhebungszeitraums mindestens 15%betragen habe.

Daraufhin legte die Klägerin Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid sowie gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ein. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Vorbesitzzeiten der Rechtsvorgängerin beim übernehmenden Rechtsträger anzurechnen seien. Das entgegenstehende Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.04.2014(2) betreffe einen nicht direkt vergleichbaren Sachverhalt, da der übernehmende Rechtsträger zu Beginn des Erhebungszeitraums noch kein gewerbesteuerliches Rechtssubjekt gewesen sei. Die Entscheidung sei zudem zum Rechtsstand 2009 ergangen. Zwischenzeitlich sei die Härtefallregelung eingeführt worden, nach welcher der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10% als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt gelte. Die Klägerin beantragte zudem für den Fall, dass seitens des FA an der geäußerten Rechtsauffassung festgehalten werde, von der Hinzurechnung im Gewerbesteuermessbescheid wegen sachlicher Unbilligkeit im Rahmen eines Billigkeitserlasses abzusehen.

Das FA lehnte die Einsprüche als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass für die Gewährung des sog. Gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs eine zeitpunkt- und nicht eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise erforderlich sei. Dies ergebe sich aus dem zitierten BFH-Urteil. Der Umstand, dass die damalige Klägerin tatsächlich nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums habe beteiligt sein können, da sie später errichtet worden sei, sei nicht entscheidungserheblich gewesen. So sei hier auch unerheblich, ob die Beteiligung vorher zu einem Sonder-Betriebsvermögen bei einer anderen Personengesellschaft gehört habe. Die Begünstigung von im Laufe des Jahres erworbenen Schachtelbeteiligungen kenne das GewStG nicht. Die Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung seien daher für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer getrennt zu prüfen und könnten – wie hier – zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Ebenso lehnte das FA den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung ab, da nicht das FA, sondern die Gemeinde für eine abweichende Steuerfestsetzung zuständig sei.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Der BFH habe zwar entschieden, dass das stichtagsbezogene Erfordernis des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG nicht durch § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ersetzt werde, da es insoweit auf einem Zeitpunkt und nicht auf einen Zeitraum ankomme. § 23 Abs. 1 UmwStG verweise aber neben § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG zugleich auf § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG, der einen Eintritt „in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft“ anordne. Die Klägerin trete durch die Verweisung auf § 12 Abs. 3 UmwStG „in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft“ und damit auch in die Rechtsstellung als Beteiligter mit mindestens 15%am Grund oder Stammkapital zu Beginn des Erhebungszeitraums 2016 ein. Für dieses Ergebnis bedürfe es auch nicht einer ausweitenden Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Nach der Interpretation des Beklagten entfalte die Norm keine Sperrwirkung für die Regelung der §§ 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, da die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG Ihrem Wortlaut nach nur anzuwenden wäre, soweit es für die Besteuerung auf eine Dauer der Zugehörigkeit ankäme, die aber gerade für § 9 Nr. 2a GewStG nicht von Bedeutung sei. Die Frage einer Spezialität der Regelung stelle sich daher mangels deren Anwendbarkeit nicht. Auch aus der historischen Entwicklung der Vorschrift des § 4 Abs. 2 UmwStG werde deutlich, dass die dortige Rechtsnachfolgeanordnung keineswegs stets als Einschränkung des grundsätzlichen Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung eines übertragenden Rechtsträgers zu verstehen gewesen sei.

Zudem sei eine Gewerbesteuerbelastung im Umwandlungsfall weder mit den Grundgedanken des Umwandlungssteuerrechts noch mit der Systematik des Gewerbesteuerrechts vereinbar. Die durch die Hinzurechnung der Dividenden einer Mehrheitsbeteiligung entstehende Doppelbelastung sei mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen und laufe dessen Wertungen zuwider.

Fazit

Bei Eintritt in die Rechtsstellung einer übertragenden Gesellschaft ist nach den Vorschriften des UmwStG wegen Zurechnung der Vorbesitzzeiten eine Kürzung des Gewinns (sog. Schachtelprivileg) auch dann vorzunehmen, wenn die Beteiligung bei der übernehmenden Gesellschaft nicht „zu Beginn des Erhebungszeitraumes“ bestand.

RdW-Redaktion
Quelle:
(1) FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2022 – 14 K 392/22 G,F; (2) BFH, Urteil vom 16.04.2014 – I R 44/13, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2015, 303.