Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte durch zwei Vorabentscheidungsersuchen aus Deutschland und Slowenien zu entscheiden. Zwei Arbeitnehmer klagten darauf, ihren Bereitschaftsdienst in Form von Rufbereitschaft als Arbeitszeit anerkannt und entsprechend vergütet zu bekommen.
Techniker muss in slowenischen Bergen arbeiten
In Slowenien hatte ein Techniker für Fernsehsendeanlagen vor dem Obersten Gerichtshof des Landes geklagt, nachdem seine Klage zuvor abgewiesen worden war. Der Mann musste an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in den slowenischen Bergen sicherstellen. Zusätzlich zu seinen regulären zwölf Stunden Arbeitszeit war er dafür täglich sechs Stunden im Bereitschaftsdienst in Form von Rufbereitschaft. Während der Bereitschaft musste er zwar nicht in der Sendeanlage in den Bergen bleiben, allerdings musste er telefonisch erreichbar sein und in der Lage, innerhalb einer Stunde bei den Anlagen zu sein. Wegen ihrer geografischen Lage musste er, ohne große Freizeitmöglichkeiten, in einer Dienstwohnung bleiben, die er von seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt bekommen hatte.
Feuerwehrmann in Dienstkleidung parat
In Offenbach am Main musste ein Feuerwehrmann neben seiner regulären Dienstzeit regelmäßig Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft leisten. Während dieser Zeit musste er sich zwar nicht an einem bestimmten Ort aufhalten, er musste aber erreichbar sein und im Alarmfall innerhalb von 20 Minuten in seiner Feuerwehrkleidung und einem bereitgestellten Einsatzfahrzeug die Stadtgrenzen erreichen. Wie auch der Techniker in Slowenien war er der Ansicht, die Bereitschaftszeiten müssten wegen der Einschränkungen als Arbeitszeit anerkannt und entsprechend vergütet werden – unabhängig davon, ob sie während dieser Zeit tatsächlich tätig waren. Nachdem sein Arbeitgeber seinem Antrag nicht stattgegeben hatte, erhob der Feuerwehrmann Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt.
Entweder Arbeitszeit oder Ruhezeit
Bereitschaftszeit ist entweder Arbeitszeit oder Ruhezeit, so die Richter in Luxemburg. Beides schließe sich gegenseitig aus. Bei der Unterteilung sei darauf zu achten, dass es sich nicht dann automatisch um Ruhezeit handele, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht tätig werde. Eine Bereitschaftszeit sei jedenfalls dann Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz, der nicht seine Wohnung ist, aufhalten müsse. Und sonst? Auch dann würde es sich um Arbeitszeit handeln, führten die Richter weiter aus, wenn die dem Arbeitnehmer durch den Dienst auferlegten Beschränkungen seine Möglichkeit, die Zeit, in der seine Dienste nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und seinen eigenen Interessen zu widmen, ganz erheblich beeinträchtigten. Ist das nicht der Fall, gilt als Arbeitszeit nur die Zeit, in der er auch tatsächlich tätig wird.
Bei den Einschränkungen unterschieden die Richter jedoch: Handele es sich um Einschränkungen aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit infolge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers für ihn mit sich bringen kann, seien diese unerheblich. Das sei beispielsweise der Fall, wenn das Gebiet, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, nur wenige Freizeitmöglichkeiten bereit halte.
Vergütung unterliegt nicht der EU-Richtlinie
Auch wenn die Bereitschaftszeit in vollem Umfang Arbeitszeit sei, folge daraus nicht, dass auch die volle Zeit vergütet werden müsse. Denn anders als Arbeits- und Ruhezeit unterliege die Art und Weise der Vergütung nicht der EU-Richtlinie 2003/88. Sie könne daher über innerstaatliche Rechtsvorschriften oder über einen Tarifvertrag geregelt werden. Auch könne der Arbeitgeber entscheiden, die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich tätig wird und diejenigen, in denen er keine Arbeit leistet, unterschiedlich zu vergüten – selbst dann, wenn die Zeit insgesamt als Arbeitszeit anzusehen sei. Daher stehe es einem Arbeitgeber andersherum ebenso frei, Bereitschaftszeiten, die nicht als Arbeitszeit anzusehen sind, durch eine Zahlung für die dadurch verursachten Unannehmlichkeiten für den Arbeitnehmer auszugleichen.
Bereitschaftszeit darf nicht Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden
Abschließend führen die Richter aus, dürfe der Arbeitgeber die Bereitschaftszeiten nicht so lang und häufig legen, dass sie die Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden.