RICHARD BOORBERG VERLAG

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25.05.2020

  

Rückforderung einer Immobilienschenkung

  

Die vom (mit-)beschenkten Partner des eigenen Kindes geteilte Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrags bilden. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reicht es nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. In diesem Fall ist der Schenker in der Regel berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und das gesamte Geschenk oder dessen Wert zurückzufordern (BGH).

Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die seit 2002 bestand, erwarben im Jahr 2011 zusammen ein Hausgrundstück in Brandenburg zum gemeinsamen Wohnen. Diesen Kauf ermöglichten die Eltern der Lebensgefährtin durch eine Schenkung von 100 000 €.

Schon kurz darauf kam es zum Zerwürfnis, und die Lebenspartner trennten sich am 28. 02. 2013. Aus diesem Grund forderten die Eltern ihr Geschenk in vollem Umfang zurück. Gegen den Ex-Partner erhoben sie Klage auf Rückzahlung von 50 000 €.

Veränderung der Geschäftsgrundlage

Beim Bundesgerichtshof hatte ihre Klage Erfolg. Die Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages bilden. Die Schenkung begründe jedoch kein Dauerschuldverhältnis. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reiche es zwar noch nicht aus, wenn die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner bestanden habe. Habe jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der Erwartung des Schenkers nur kurze Zeit gedauert, komme im Allgemeinen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Wie jedem Vertrag könnten auch dem Schenkungsvertrag Umstände oder Vorstellungen zugrunde liegen, die nicht zum Vertragsinhalt geworden seien, auf denen aber der Geschäftswille gleichwohl aufbaue und deren schwerwiegende Veränderung daher eine Anpassung des Vertrags (hier: Vertragsrückabwicklung) rechtfertige.

Zeitpunkt der »Enttäuschung«

Schwierig ist die Frage, nach welchem Zeitraum noch von einer so starken Enttäuschung der Erwartungen des Schenkens gesprochen werden kann, sodass die Rückforderung des Geschenks möglich ist. Das Berufungsgericht hatte gemeint, nach der Lebenserwartung der Lebenspartner sei eine gemeinsame Nutzung noch für 47,58 Jahre zu erwarten gewesen. Diese Erwartung habe sich für vier Jahre erfüllt und damit zu 8,4 %; die Rückforderung mache somit 91,6 % des zugewandten Betrags aus.

Dieser Betrachtung trat der Bundesgerichtshof bereits im Ansatz entgegen. Die Schenkung einer Immobilie bzw. des hierfür erforderlichen Finanzbetrages sei kein Dauerschuldverhältnis und kein Austauschvertrag. Der Beschenkte schulde keine Gegenleistung, allenfalls Dank. Nicht jede Erwartung des Schenkers sei dabei geschützt und als Geschäftsgrundlage anzusehen. Der Schenker müsse bei einer Schenkung an ein Kind auch mitbedenken, dass eine Lebensgemeinschaft zerbrechen und ein gemeinsames Wohnen in der geschenkten Immobilie danach nicht mehr möglich sein könnte. Mit einer Rückforderung des Geschenks müsste ein Beschenkter eigentlich in der Regel nicht rechnen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, wie etwa grober Undank (§ 530 BGB) oder Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB). Nur wenn mit der Schenkung ausdrücklich eine besondere Auflage verbunden ist, kann bei verweigerter Erfüllung dieser Auflage das Geschenk zurückgefordert werden (§§ 525, 527 BGB).

Bei der Zuwendung von Grundeigentum bzw. entsprechender Geldbeträge bestehe in der Regel die Erwartung, dass die Wohnung auf »einige Dauer« gemeinsam wie geplant als Familienwohnung genutzt werde. Typischerweise sei die beabsichtigte Langfristigkeit der Nutzung ein wesentlicher Beweggrund für die Zuwendung des Geschenks. Regelmäßig sei ohne Weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Schenker hätte den Willen zur Zuwendung nicht gehabt, wenn er gewusst hätte, dass die gemeinsame Nutzung der Immobilie durch die Beschenkten nur kurzfristig stattfinde. Die Hoffnung des Schenkers, die Immobilie werde bis zum Tod eines der Lebenspartner gemeinsam genutzt, sei hingegen nicht schützenswert; diese Haftung entferne sich zu weit von der allgemeinen Lebenserfahrung.

Typisierte Erwartungen

Ob die Enttäuschung der Erwartung gemeinsamer Nutzung als Geschäftsgrundlage anzuerkennen ist, erfordere die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Gleiches gelte für die Frage, ob den Beschenkten diese Erwartungen bekannt waren. Wenn jedoch keine Besonderheiten im Einzelfall vorliegen, so geht der Bundesgerichtshof hiervon aus.

Die Lebensgemeinschaft war nach einiger Zeit (seit 2002) gefestigt und sollte dies durch das gemeinsame Haus naheliegenderweise in noch stärkerem Maße werden. Einen anderen Grund als diese Erwartung konnten auch die Beschenkten nicht annehmen. Entscheidend sei allein die Frage, ob die Schenkung auch erfolgt wäre, wenn der Schenker gewusst hätte, dass das gemeinsame Wohnen lediglich vier Jahre umfassen würde.

Der Bundesgerichtshof hat dies verneint und deshalb den Rückforderungsanspruch für berechtigt erklärt. Er meinte, die Erwartung habe erkennbar einen Zeitraum von mehr als vier Jahren umfasst.

Anmerkung:

Eine feste Grenze, nach der vom Schenker ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht mehr geltend gemacht werden kann, nannte der Bundesgerichtshof nicht. Er verweist als Anhaltspunkt jedoch immerhin darauf, dass nicht mehr erwartet werden dürfe als die durchschnittliche Dauer einer Ehe, die nach Angaben des Statistischen Bundesamtes derzeit 15 Jahre betrage. Für die Praxis wird man sich vielleicht an einer Dauer von bis zu zehn Jahren orientieren können; ein Zeitraum, der ganz allgemein für einen Rechtsverlust im Verjährungsrecht auch im Gesetz vorgesehen ist (§ 199 Abs. 3 BGB).

B. Gramlich
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. 06. 2019 – X ZR 107/16