RICHARD BOORBERG VERLAG

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27.11.2019

  

Online-Plattform muss nicht zwingend eine Telefonnummer zur Verfügung stellen

  

Eine Online-Plattform ist nicht verpflichtet, dem Verbraucher vor Vertragsabschluss stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Der Unternehmer muss jedoch ein Kommunikationsmittel bereitstellen, über das der Verbraucher mit ihm schnell in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann (EuGH). 

Die Online-Plattform Amazon bietet verschiedene Waren ausschließlich online zum Kauf an. Eine Verbraucherzentrale verklagte Amazon vor den deutschen Gerichten mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass Amazon gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstoße, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen. Denn nach deutschem Recht sei der Unternehmer verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz stets seine Telefonnummer anzugeben (Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB).

Das bedeute, dass das Unternehmen in klarer und verständlicher Weise über seine Telefonnummer und seine Faxnummer informieren müsse. Der Rückrufservice von Amazon erfülle diese Informationspflichten jedoch nicht, da für den Verbraucher eine Vielzahl von Schritten erforderlich sei, um mit einem Ansprechpartner des Unternehmens in Kontakt zu treten.

Letztlich landete der Rechtsstreit beim Bundesgerichtshof. Dieser war der Auffassung, dass maßgeblich EU-Recht, nämlich die »Richtlinie über die Rechte der Verbraucher«, betroffen sei. Aus dieser könne sich ergeben, dass eine nationale Regelung, nach der der Unternehmer verpflichtet sei, einen Telefonanschluss anzubieten und sogar neu einzurichten, damit der Verbraucher in Kontakt treten könne, unwirksam sei.

Der Bundesgerichtshof legte daher dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Fragen vor, ob Deutschland eine Bestimmung vorsehen kann, die den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher vor Abschluss von Fernabsatzgeschäften (nicht nur ggf.), sondern stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Oder ist es möglich, dass ein Unternehmer auf andere Kommunikationsmittel, etwa Internet-Chat oder ein Rückrufsystem, zurückgreift?

Telefonanschluss ist nicht zwingend

Der EuGH stellte fest, dass die EU-Richtlinie der deutschen Regelung entgegensteht. Nach EU-Recht ist der Unternehmer nicht verpflichtet, einen Telefonanschluss oder Telefaxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit der Verbraucher stets mit ihm in Kontakt treten kann. Er ist nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer und der E-Mail-Adresse verpflichtet, wenn er über diese Kommunikationsmittel bereits verfügt. Vielmehr ist der Unternehmer lediglich verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das eine direkte und effiziente Kommunikation gewährleistet; dies können auch andere Kommunikationsmittel als die in der EU-Richtlinie genannten sein.

Die EU-Richtlinie will sicherstellen, dass der Verbraucherschutz garantiert ist. Hierzu ist die Möglichkeit für den Verbraucher, mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufzunehmen, von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung seiner Rechte, insbesondere des Widerrufsrechts. Demgegenüber erfordert es die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sicherzustellen, dass auch die unternehmerischen Interessen gewahrt bleiben.

Hiernach erscheint eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss neu einzurichten, unverhältnismäßig.

Darüber hinaus – so das Gericht weiter – erlaube es die EU-Richtlinie, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle, etwa ein elektronisches Kontaktformular, einen Internet- Chat oder ein Rückrufsystem, sofern hierdurch eine direkte und effiziente Kommunikation zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer ermöglicht wird.

Es sei im Übrigen Sache der nationalen Gerichte zu beurteilen, ob die dem Verbraucher vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel diesen Zweck erfüllten und ob die Informationen über diese Kommunikationsmittel leicht zugänglich seien.

Bezüglich dieses Punkts stellte der EuGH abschließend fest, dass eine Telefonnummer, die erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar sei, nicht automatisch als nicht klar und nicht verständlich zu bewerten sei.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.07.2019 – C-649/17