Kreditverträge mit Verbrauchern müssen in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben. Es reicht nicht, wenn der Vertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher zwingend für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die ihrerseits auf weitere solche Vorschriften weiterverweist (EuGH).
Ein Kunde nahm bei der Kreissparkasse im Jahr 2012 einen Kredit über 100 000 € mit einem bis zum 30. 11. 2021 gebundenen Sollzinssatz von 3,61 % pro Jahr auf. Der Darlehensvertrag sah vor, dass der Kreditnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen kann und dass diese Frist nach Abschluss des Vertrags zu laufen beginnt; allerdings erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben erhalten hat, die bestimmte Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuch vorsehen. Diese Angaben, deren Erteilung an den Verbraucher somit für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, waren im Darlehensvertrag selbst nicht enthalten. Dieser verwies lediglich auf eine Rechtsvorschrift, die ihrerseits auf weitere Vorschriften verwies.
Im Jahr 2016 erklärte der Kreditnehmer gegenüber der Kreissparkasse den Widerruf seiner Vertragserklärung. Er behauptete, wegen unrichtiger bzw. unvollständiger Belehrung über die Berechnung der Widerrufsfrist sei deren zweiwöchige Frist auch bis zum Jahr 2016 noch nicht ins Laufen gekommen. Daher könne er auch jetzt noch widerrufen.
Die Kreissparkasse war der Auffassung, dass sie den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe und daher die Frist für die Ausübung des Widerrufs bereits längst abgelaufen sei. Der Rechtsstreit landete beim Landgericht Saarbrücken. Dieses hatte die zentrale Frage zu klären, ob der Verbraucher über die Frist, innerhalb der er sein Widerrufsrecht ausüben konnte, korrekt informiert worden war. Das Gericht sah hierbei EU-Richtlinien tangiert; es legte daher dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) den Rechtsstreit zur Auslegung der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge nach EU-Recht vor.
Klare und prägnante Form der Modalitäten für die Berechnung der Frist erforderlich
Die EU-Richtlinie, die hier einschlägig war, ziele darauf ab, allen Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten. Sie erfordere, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssten; ansonsten würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt.
Außerdem stehe die EU-Richtlinie der hier vorliegenden mehrfachen Verweisung entgegen. Es sei daher unzulässig, dass – wie hier – der Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich sei, auf eine nationale Vorschrift verweist, die ihrerseits auf weitere Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats verweist.
Im Fall einer solchen Kaskadenverweisung könne der Verbraucher auf der Grundlage des Kreditvertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung ersehen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Darlehensvertrag alle erforderlichen Angaben enthält; erst recht ist es ihm nicht möglich zu beurteilen, ob die Widerrufsfrist, die zu seinem Schutz existiert, für ihn bereits zu laufen begonnen hat.
Somit stellte der Gerichtshof der Europäischen Union hier fest, dass der im fraglichen Kreditvertrag enthaltene Verweis auf die deutschen Rechtsvorschriften nicht dem Erfordernis genüge, den Verbraucher in klarer und prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung seines Widerrufsrechts umfassend zu informieren.
Anmerkung:
Das mit der Sache befasste Landgericht wird nun unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des EuGH den Rechtsstreit entscheiden. Es ist insoweit zu erwarten, dass das Landgericht den Widerruf des Kreditvertrags wegen unzureichender Belehrung über die Widerrufsfrist auch noch nach vier Jahren zugunsten des Kreditnehmers zulassen wird. Der Vertrag würde dann rückabgewickelt