RICHARD BOORBERG VERLAG

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21.04.2020

    

Keine Gewährleistungsansprüche bei wissentlichem Kauf eines »Dieselskandal-Pkw«

  

Der Käufer eines Gebrauchtwagens hat keine Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Händler oder dem Hersteller des Pkw, wenn er weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass in dem betreffenden Pkw die sogenannte Skandalsoftware verbaut ist. Dies gilt zumindest bei Gebrauchtwagenkäufen ab Dezember 2015, da zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit über die Schadsoftware hinreichend informiert war (OLG Karlsruhe).

Ein Mann kaufte im April 2016 bei einem Autohaus einen gebrauchten Pkw der Marke VW mit einem Tachostand von 36 000 km zu einem Kaufpreis von 25 900 €. In dem Fahrzeug war ein von der VW AG hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Der Motor verfügte über eine unzulässige Abschaltvorrichtung. Er war werkseitig mit einer Motorsteuerungsgeräte-Software ausgestattet, die, erkennend, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befand, mithilfe zweier Abgasrückführungsmodi den Stickstoffdioxidausstoß dahingehend steuerte, dass der auf dem Prüfstand angezeigte Wert gegenüber dem tatsächlichen Wert im Fahrbetrieb deutlich reduziert war.
Der Käufer forderte nach einiger Zeit von dem Autohaus die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Fahrzeugs. Außerdem verlangt er die Feststellung, dass die VW AG ihm Ersatz der Schäden schulde, die durch die eingebaute Software zur Prüfstanderkennung in der Motorsteuerung verursacht werden.
Die Klage hatte beim Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch keinen Erfolg.

Kenntnis von Schadsoftware lässt Haftung entfallen

Nach Auffassung des Gerichts standen dem Käufer keine Gewährleistungsansprüche wegen der Abschalt-Automatik gegen den Händler zu. Denn der Käufer hatte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages Kenntnis von dieser manipulativen Motorsteuerung.
Mittlerweile sei obergerichtlich anerkannt, dass es sich bei dem Einbau der Motorsteuerungssoftware seitens des Herstellers um eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gegenüber dem Käufer handle. Diese sei im vorliegenden Fall jedoch nicht schadensverursachend beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs, wenn der Käufer – wie hier – Kenntnis von dem Vorhandensein dieser Software im gekauften Fahrzeug habe.
Selbst wenn ein Käufer keine Kenntnis von der genauen Wirkungsweise der Software habe, handle er jedenfalls grob fahrlässig, wenn er sich nicht weiter erkundige, obwohl er wusste, dass die betreffende Software in dem Fahrzeug eingebaut war.
Ein evtl. Vermögensschaden durch den Kauf eines von dem Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist nach Einschätzung des Gerichts der VW AG aber ab Mitte Dezember 2015 nicht mehr zurechenbar. Denn der Hersteller hatte zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit so weitgehend informiert, dass zwischen seinem ursprünglichen Verhalten – Konzern-Entscheidung zum Einbau der Software – und dem Erwerb des Fahrzeugs kein rechtlich zurechenbarer Zusammenhang mehr bestand.

Somit standen dem Käufer weder gegen den Hersteller noch gegen den Gebrauchtwagenhändler Gewährleistungsansprüche zu.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 09. 01. 2020 – 17 U 133/19