RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.11.2020

Wirtschaftsrecht

Kein Wettbewerbsverstoß bei gesondertem Ausweis von »Pfand«

  

Entspricht die Preisauszeichnung für Waren in Pfandbehältnissen einer gültigen nationalen Vorschrift, so kann die Werbung mit einer solchen Preisauszeichnung auch dann nicht verboten werden, wenn die nationale Vorschrift europarechtswidrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf.

Hintergrund

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist seit Längerem umstritten, ob bei einem Kauf anfallendes Pfand in den Gesamtpreis der Ware einzurechnen ist (also etwa: 0,75 j) oder extra ausgewiesen werden muss (also etwa: 0,50 j zuzüglich 0,25 j Pfand). Der Grund für diese Unklarheit ist in der einschlägigen Preisangabenverordnung selbst zu finden. Dort heißt es an einer Stelle, dass gegenüber dem Verbraucher der Gesamtpreis anzugeben ist, also der Verkaufspreis einschließlich Umsatzsteuer und aller sonstigen Bestandteile. Hieraus wird gefolgert, dass ein solcher Preisbestandteil auch das Pfand sei. An anderer Stelle sieht die Preisangabenverordnung vor, dass eine rückerstattbare Sicherheit neben dem Preis für die Ware anzugeben ist; diese Vorschrift geht also davon aus, dass Pfand kein Bestandteil des Gesamtpreises ist, sondern extra angegeben werden muss. Für diese Vorschrift (§ 1 Abs. 4 PAngV) findet sich jedoch im EU-Recht keine Stütze. Daher ist diese Vorschrift europarechtswidrig und darf nicht mehr angewendet werden. Gleichwohl stellt sich für Händler die Frage, was letztlich gilt, da die Regelung ja nach wie vor im Gesetz steht. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung und ein Unterlassungsanspruch gegen einen Händler bestehen können, der unter Berufung auf die – europarechtswidrige – Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV das Flaschenpfand separat ausgewiesen hat.

Der Sachverhalt

Ein Lebensmittelhändler warb in einer Broschüre für Getränke in Pfandflaschen. Das Pfand war nicht in die angegebenen Preise eingerechnet, sondern mit dem Zusatz »zzgl. 0,25 j Pfand« angegeben. Ein Wettbewerbsverein hielt dies für unzulässig. Denn nach der allgemeinen Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV müsse der Gesamtpreis angegeben werden. Der Händler wiederum berief sich auf die Ausnahmevorschrift im Abs. 4, wonach das Pfand gesondert ausgewiesen werden müsse. Nach Auffassung des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts sei zwar die Ausnahmeregelung im Abs. 4 europarechtswidrig; gleichwohl sei sie geltendes Recht, weshalb sich der Händler hierauf auch berufen könne.

Die Entscheidung

Die Rechtsvorschrift verstoße zwar gegen Europarecht, denn nationale Vorschriften zu Preisangaben müssten mit der Vorgabe aus EU-Richtlinien in Einklang stehen. Dies sei bei der ausdrücklichen Pfandregelung in der Preisangabenverordnung nicht der Fall. Das habe zur Folge, dass ein Gericht die Vorschrift nicht mehr anwenden dürfe. Gleichwohl ist sie geltendes Recht und deshalb für den Einzelnen bindend und von ihm zu beachten. Ein rechtlich gebotenes Verhalten könne aber niemals die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der ein Händler unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen. Wer sich rechtstreu verhalte, müsse die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Deshalb könne ein Händler, der sich auf die gesonderte Ausweisung des Pfands in § 1 Abs. 4 PAngV trotz dessen Europarechtswidrigkeit berufe, nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Anmerkung:

Die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts wird von anderen Gerichten nicht geteilt. Nach deren Auffassung ist die separate Ausweisung von Pfand ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und damit wettbewerbswidrig. Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof ausdrücklich zugelassen, sodass zu hoffen ist, dass dieser die Möglichkeit erhält, diese Rechtsfrage abschließend im Interesse aller Marktteilnehmer zu entscheiden.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 30. 07. 2020 – 6 U 49/19 (Revision zugelassen)