RICHARD BOORBERG VERLAG

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20.02.2023

      

Internethändler müssen nicht zwingend über Herstellergarantie informieren

    

In einem aktuellen Fall befasste sich der Bundesgerichtshof unter anderem mit der Frage, ob das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht auslöst oder ob weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen. Besteht eine Informationspflicht auch, wenn für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zu der Garantie zugänglich macht?

Die Parteien stehen beim Vertrieb von Taschenmessern im Wege des Onlinehandels miteinander in Wettbewerb. Die Beklagte bot auf einer Internetplattform ein Taschenmesser eines Schweizer Herstellers an. Die Angebotsseite enthielt selbst keine Angaben zu einer von der Beklagten oder einem Dritten gewährten Garantie für das angebotene Messer, aber – unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ – einen elektronischen Verweis (Link) mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“. Beim Anklicken dieses Links öffnete sich ein auf einem Server des Betreibers der Internetplattform gespeichertes Dokument, das ein zwei Seiten umfassendes, vom Hersteller des Messers gestaltetes und textlich formuliertes Produktinformationsblatt wiedergab. Auf dessen erster Seite fanden sich Erläuterungen zu einem in das Messer integrierten Mehrzweck-Werkzeug. Die zweite Seite enthielt Hinweise auf weitere, in das Messer integrierte Werkzeuge und zur Pflege des Messers sowie Hinweise auf die Garantie.

Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat die Klage aus folgenden Gründen als begründet angesehen: Es könne dahinstehen, ob die Beklagte als Täterin oder Gehilfin für die Abgabe einer unvollständigen Garantieerklärung hafte und der Klägerin daher ein Unterlassungsanspruch zustehe.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch finde seine Grundlage jedenfalls in §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB. Die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB knüpfe allein an das Vorliegen einer Garantieerklärung des Produktverkäufers oder eines Dritten an und erfordere weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck, den Verbraucher über das Für und Wider eines Vertragsschlusses möglichst umfassend zu informieren, eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie. Dahinstehen könne, ob § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer in jedem Fall verpflichte, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-) Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um seine Kunden sodann über sie näher informieren zu können. Die Informationspflicht des Verkäufers greife nach ihrem Sinn und Zweck jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot – wie vorliegend – einen wie auch immer gestalteten Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte.

Zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht sei zur Vermeidung von Widersprüchen und Diskrepanzen auf den Regelungsgehalt zurückzugreifen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift deutlich gemacht, welche Informationen er im Zusammenhang mit Garantien für eine adäquate Information des Verbrauchers für erforderlich halte. Das vorliegend zu beurteilende Angebot der Beklagten enthalte keine solchen Informationen. Auch sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Verbraucher diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt eines etwaigen Bestellprozesses erhalte.

Für den Erfolg der Revision kommt es darauf an, ob der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht zusteht. Das setzt voraus, dass die Beklagte eine entsprechende Informationspflicht traf und diese Pflicht denselben Inhalt hat wie die Informationspflicht. Fraglich ist zunächst, ob die Beklagte eine Informationspflicht traf.

Im Streitfall enthielt die Angebotsseite der Beklagten nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Angaben zu der Herstellergarantie. Die Beklagte hielt lediglich im Rahmen ihrer technischen Informationen unter dem Link „Betriebsanleitung“ ein von der Herstellerin stammendes Produktinformationsblatt vor, in dem sich ein Hinweis auf die Herstellergarantie befand.

Einerseits könnte mit dem Berufungsgericht davon auszugehen sein, dass die bloße Erwähnung des Bestehens einer Herstellergarantie im Warenangebot ohne werbliche Hervorhebung und in welcher Form auch immer genügt, um die Pflicht zum Hinweis auf die Bedingungen dieser Garantie zu begründen. Andererseits könnte die Begründung einer Informationspflicht voraussetzen, dass das Bestehen einer Herstellergarantie in einer für den Verbraucher ohne weiteres erkennbaren Weise erwähnt wird.

In diesem Zusammenhang weist die Revision darauf hin, dass erfahrungsgemäß nur wenige Kaufinteressenten einem Link unter der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ folgten, da man sich der Betriebsanleitung – zumal bei einem Taschenmesser – gewöhnlich erst nach dem Kauf zuwende. Unabhängig davon werde der Kaufinteressent jedenfalls nicht unter einem solchen Link nach einer eventuellen Garantieerklärung suchen, die zudem auch nach Anklicken des Links nicht sofort sichtbar geworden sei, da sie sich erst auf der zweiten Seite des Dokuments befunden habe.

Fraglich ist zudem, ob eine Informationspflicht des Unternehmers besteht, wenn für den Verbraucher ersichtlich ist, dass die Angabe zum Bestehen einer Herstellergarantie nicht vom Unternehmer, sondern vom Hersteller stammt. Nach Auffassung der Revision schuldet der Händler in einem solchen Fall keine weitergehenden Informationen. Dem Verbraucher sei die Unterscheidung zwischen Informationen und Werbeangaben, die vom Hersteller einerseits und vom Händler andererseits stammten, ohne weiteres geläufig, und er erwarte vom Händler keine weitergehende Aufklärung zu Informationen des Herstellers.

Auch zu diesem Verbraucherverständnis hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, weil es darauf von seinem Standpunkt aus nicht ankam.

RdW-Redaktion
Quelle:
BGH, Urteil vom 10.11.2022 – I ZR 241/19.