RICHARD BOORBERG VERLAG

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08.11.2019

   

Hausverkauf gegen Pflegeverpflichtung gilt auch bei frühem Tod

  

Vereinbaren die Vertragsparteien bei einem Grundstückskaufvertrag ein Wohnrecht für den Veräußerer und eine Pflegeverpflichtung für den Erwerber, so führt der frühe Tod des Veräußerers nach wenigen Wochen nicht zu einem Zahlungsanspruch der Erben zum Ausgleich für das infolge des Todes gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung (OLG Frankfurt am Main). 

Ein älterer Mann hatte im Frühjahr 2014 seinen Grundbesitz an seine Nichte verkauft. Nach den vertraglichen Regelungen erhielt der Mann ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht. Der Jahreswert dieses Wohnrechts wurde mit 2 592 € beziffert.

Seine Nichte verpflichtete sich zudem zu seiner Pflege im häuslichen Bereich, solange dies für sie möglich und zumutbar war. Der Wert ihrer Pflegeleistungen wurde mit einem Jahreswert von 2 460 € beziffert. Der Kaufpreis betrug 86 000 €. Nach Berücksichtigung einer Grundbuchbelastung sowie eines für den Verkäufer einzutragenden Wohnrechts (kapitalisiert) unter Übernahme von Pflegeleistungen (kapitalisiert) zahlte die Nichte noch 10 000 € für das Hausgrundstück. Schon drei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags verstarb der Verkäufer überraschend. Er wurde von seinen drei Geschwistern, jeweils zu einem Drittel, beerbt.

Eine der Schwestern war der Auffassung, der Kaufvertrag sei im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Nichte zur Zahlung der kapitalisierten Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei. Die hierauf gerichtete Klage der Schwester des Verstorbenen hatte beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main allerdings keinen Erfolg.

Vertrag war eindeutig

Das Gericht lehnte es ab, durch Auslegung des Vertragstextes das von den beiden Parteien Vereinbarte zu interpretieren. Hierfür bestand kein Anlass. Denn Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung sei eine Lücke im Regelungskonzept des Vertrags, die geschlossen werden müsse. Keinesfalls dürfe die ergänzende Vertragsauslegung zu einer freien richterlichen Vertragsgestaltung ausufern, so das Oberlandesgericht. Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehle es bereits an einer Lücke im vorliegenden Kaufvertrag. Beide Seiten hatten sich bei Abschluss im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Verkäufer (der Erblasser) leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrags werden würde. Die Nichte sei hierbei also das Risiko eingegangen, dass sie – falls der Erblasser sehr alt würde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig – über einen sehr langen Zeitraum Pflegeleistungen erbringen müsste. Umgekehrt sei der Verkäufer/Erblasser seinerseits das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen.

Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in diese Vereinbarung eingegriffen werden sollte, nur weil sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Auch im umgekehrten Fall – wenn die Nichte ihre Verpflichtungen für einen sehr langen Zeitraum hätte erfüllen müssen – hätte kein Anlass für die ergänzende Vertragsauslegung bestanden.

Somit handelte es sich bei der Vereinbarung und der kapitalisierten Anrechnung auf den Kaufpreis um eine ausgewogene Regelung der beiden Kaufvertragsparteien, die keinen Anlass bot, richterlicherseits weitere Auslegungen des Vereinbarten vorzunehmen.

Klaus Krohn
Quelle:
Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 06.05.2019 – 8 W 13/19