RICHARD BOORBERG VERLAG

×

24.02.2020

  

Gewährleistung bei bewusster Wahl eines Auslaufmodells

    

Eine Ersatzlieferung eines Kraftfahrzeugs aus der aktuellen Produktionsserie wegen eines Fahrzeugmangels ist ausnahmsweise dann nicht geschuldet, wenn bereits zwei Monate vor Abschluss des Kaufvertrags der bevorstehende Modellwechsel öffentlich angekündigt war, bei Abschluss des Kaufvertrags das Nachfolgemodell bestellbar war und dem Käufer bekannt war, dass es sich bei dem von ihm bestellten Fahrzeug um ein Auslaufmodell handelt (OLG Koblenz).

Ein Mann erwarb Anfang 2015 von einem Kfz-Händler einen Pkw Skoda Superb Combi, Modell 2015, mit einer ausführlichen Ausstattungsliste zum Preis von 30 600 € als Reimportfahrzeug. Der Käufer hatte sich ausdrücklich und bewusst für dieses Fahrzeug entschieden, obwohl ihm bekannt war, dass es sich um ein Auslaufmodell handelte und die aktuelle Modellreihe bereits bestellbar und lieferbar war. Grund für seine Entscheidung war auch, dass der Kfz-Händler für dieses Auslaufmodell einen erheblichen Preisnachlass gewährte.

Das Fahrzeug verfügte über einen mit Dieselkraftstoff betriebenen Motor der Baureihe EA 189. Es war werkseitig mit einer Motorsteuerungsgerätesoftware ausgestattet, die, erkennend, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befand, mithilfe zweier Abgasrückführungsmodi den Stickstoffdioxinausstoß dahingehend steuerte, dass der auf dem Prüfstand angezeigte Wert gegenüber dem tatsächlichen Wert im Fahrbetrieb deutlich reduziert war.

Mit der Begründung, die eingebaute Software mit unzulässiger Steuerung der Abgasrückführung stelle einen unbehebbaren Mangel des erworbenen Fahrzeugs dar, verlangte der Käufer die Lieferung eines neuen Fahrzeugs des Typs Skoda Superb Combi aus der aktuellen Modellreihe. Der Kfz-Händler lehnte dies ab, sodass es zum Rechtsstreit kam. Das Oberlandesgericht Koblenz teilte die Auffassung des Autohändlers und verweigerte dem Käufer eine Ersatzlieferung aus der aktuellen Modellreihe.

Softwaremanipulation stellt Sachmangel dar

Das Gericht bestätigte dem Käufer zunächst, dass der Einbau des mit einer Umschaltlogik versehenen Motors einen Sachmangel des Fahrzeugs begründe.

Denn das Fahrzeug war hierdurch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne EU-rechtlicher Zulassungsvoraussetzungen ausgestattet. Die im Fahrzeug des Käufers installierte Software diente gerade dem Zweck, in Abhängigkeit vom erkannten Fahrerzyklus durch die Aktivierung zweier verfügbarer Modi den Grad der Abgasrückführung und damit die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems zu steuern.

Infolge dieser im Pkw in unzulässiger Weise verbauten Abschalteinrichtung war der weitere ungestörte Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht gewährleistet und somit das Fahrzeug nicht zur üblichen Verwendung im Straßenverkehr geeignet.

Denn es bestand die ständige Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die Zulassungsbehörde, da das Kfz nicht mit den Vorgaben der Fahrzeug-Zulassungsverordnung übereinstimmte. Somit lag nach Auffassung des Gerichts fraglos ein Mangel des Fahrzeugs vor.

Grundsatz: Neulieferung auch eines Nachfolgemodells

Vom Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs bis zur Ausübung eines kaufrechtlichen Nachlieferungsverlangens eines Käufers wegen eines Mangels können zwischenzeitlich ein oder gar mehrere Modellwechsel des betreffenden Fahrzeugs stattgefunden haben. Das hindert den Käufer grundsätzlich nicht daran, auf die Nachlieferung eines neuen Modells zu bestehen. Denn das Recht des Käufers auf Lieferung eines mangelfreien Pkw beinhaltet je nach Ausgestaltung des Kaufvertrags grundsätzlich auch die Pflicht des Verkäufers zu einer modellübergreifenden Beschaffung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktion.

Ausnahme: Entscheidung für Auslaufmodell trotz angekündigten Modellwechsels

Im vorliegenden Fall zog das Gericht auch die dem Vertrag zugrundeliegende Motivationslage des Käufers heran. Daraus ergebe sich, dass er sich nicht auf eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktionsserie berufen könne. Denn schon mehrere Monate vor Abschluss des Kaufvertrags war er vom Händler über den Modellwechsel des betreffenden Fahrzeugs informiert worden. Bei Abschluss des Kaufvertrags war das Nachfolgemodell bereits bestellbar und sollte kurz darauf in Serienproduktion gehen.

Vor diesem Hintergrund der zeitlichen Chronologie war dem Käufer bewusst, dass er eines der letzten Fahrzeuge der bisherigen Modellreihe erwirbt. Er nahm diesen Umstand auch aus ökonomischen Gründen in Kauf, um sich neben den Vergünstigungen bei Erwerb eines Reimportefahrzeugs zusätzlich die Preisvorteile, die der Autohändler für das Auslaufmodell einräumte, zu sichern. Der Wille des Käufers war daher gesichert auf den Erwerb des vom Hersteller subventionierten Auslaufmodells aus der Vorproduktion und noch dazu in der besonders günstigen Form eines Reimports zu einem besonders günstigen Preis gelegen. Somit war nach Ansicht des Gerichts die Lieferung eines Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Produktionsserie nach der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrags seitens des Autohändlers nicht geschuldet, sodass die Klage des Käufers abzuweisen war.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 09. 09. 2019 – 12 U 773/18