Hintergrund
Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 25. 05. 2020 grundsätzlich festgestellt, dass Käufern eines Autos mit unerlaubter Abschaltsoftware Schadenersatzansprüche zustehen. Grund hierfür sei im Wesentlichen eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Käufers durch den Fahrzeughersteller; die Manipulationen seien dem Vorstand des Autoherstellers (hier: VW) zuzurechnen (vergl. RdWKurzbericht 242/2020). Trotz dieser Grundsatzentscheidung musste der Bundesgerichtshof im Jahr 2020 weitere Einzelfragen im Zusammenhang mit der Rückgabe von betroffenen Fahrzeugen.
So auch in einem jetzt entschiedenen weiteren Fall.
Der Sachverhalt
Ein Mann (A) erwarb im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 32 600 j. Der Wagen war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befand; in diesem Fall schaltete die Software in den Abgasrückführungsmodus 1, einen stickoxid-optimierten Modus, der zulässige Immissionswerte bestätigte.
Erkannte die Software, dass sich das Fahrzeug im realen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands befand, schaltete der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 2, bei dem die Abgasrückführungsrate deutlich geringer und der Stickoxidausstoß demgemäß höher war.
Ab 22. 09. 2015 räumte der Fahrzeughersteller VW öffentlich die Verwendung ei ner manipulierten entsprechenden Software in den betreffenden Dieselmotoren des Typs EA 189 ein, die auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns verbaut waren. Weiter teilte der Konzern mit, dass er daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass der Fahrzeughersteller hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt wertete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete VW, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen. Das daraufhin entwickelte Software-Update wurde im Januar 2017 im Fahrzeug des A aufgespielt.
Beim Bundesgerichtshof hatte seine Klage jedoch letztlich keinen Erfolg.
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
Das Gericht betonte nochmals, dass es sich bei dem Verbauen der Abschalteinrichtung um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Käufers des Fahrzeugs handle. Ein solches Verhalten des Fahrzeugherstellers sei im Verhältnis zum Käufer eines solchen Fahrzeugs besonders verwerflich und mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Dies gelte auch, wenn es sich – wie hier – um den Kauf eines Gebrauchtwagens handle.
Kenntnis von Schadstoffsoftware lässt Haftung entfallen
Fahrzeuge, die vor dem 22. 09. 2015 erworben worden seien, könnten fraglos ge gen Rückzahlung des Kaufpreises zurückgegeben werden. Allerdings – so das Gericht – sei ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Manipulationen durch den VW-Konzern das Vertrauen potentieller Käufer von Wagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsmäßige Abgastechnik nach und nach zerstört. Mit anderen Worten: Käufer waren nicht mehr arglos in Bezug auf die Abschaltsoftware. Der Hersteller hatte zum Zeitpunkt Ende 2015 die Öffentlichkeit auch durch die Freischaltung einer Website auf den Missstand aufmerksam gemacht; dort konnten sich Kunden informieren, ob ihr Fahrzeug betroffen war.
Zum Zeitpunkt des Kaufs im vorliegenden Fall (Mai 2016) habe sich die frühere Täuschung des Konzerns durch das Anbieten und Inverkehrbringen des manipulierten Fahrzeugs nicht (mehr) auf die Kaufentscheidung ausgewirkt. A hatte den Pkw sozusagen in Kenntnis des mit einer Abschaltautomatik versehenen Motors gekauft. Somit lag keine sittenwidrige Schädigung vor.
Warnhinweis galt für alle Marken des Konzerns
Im vorliegenden Fall hatte A argumentiert, dass er ein Fahrzeug der Marke Audi erworben habe, für die keine entsprechenden Warnhinweise ergangen seien.
Dem erteilte der Bundesgerichtshof eine Absage: VW habe seine Verhaltensänderung nicht auf die Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in seiner ad-hoc-Mitteilung vom 22. 09. 2015 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Dieselfahrzeugen des Volkswagen- Konzerns vorhanden sei, ohne also Einschränkungen auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen. Damit war das Verhalten des Autoherstellers generell, d. h. hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, arglose Erwerber zu täuschen.
Somit schied ein Anspruch des A auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus. Vgl. auch RdW-Kurzberichte 178/2020 (kein Schadenersatz bei Kenntnis vom Dieselskandal), 242/2020 (Schadenersatz des Käufers eines Autos mit Abschalt- Software) sowie RdW-Kurzbericht 349/ 2020 (Bundesgerichtshof zu Grundsatzfragen beim Dieselskandal).