RICHARD BOORBERG VERLAG

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09.05.2019

  

Bürgschaft des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers ist zulässig

  

Die Bürgschaft eines Arbeitnehmers für Schulden des Arbeitgebers ist nicht schon deswegen sittenwidrig und damit unwirksam, weil sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen wird (BGH).

Ein Arbeitnehmer war als leitender Angestellter bei einer GmbH beschäftigt. Die Gesellschaft hatte sich bei einer Bank einen Kredit in Höhe von knapp zwei Mio. Euro zur Finanzierung eines Bauvorhabens beschafft. Einige Zeit später geriet die GmbH in wirtschaftliche Schräglage. Wie allen Arbeitnehmern war auch dem leitenden Angestellten bekannt, dass die Insolvenz der GmbH drohte, denn die Gesellschaft hatte sämtliche Mitarbeiter wahrheitsgemäß über die wirtschaftliche Situation informiert.

Die Bank war nur gegen weitere Sicherheiten bereit, der GmbH einen lebenswichtigen Kredit über 150 000 €, rückzahlbar in sieben Monaten, zu gewähren.

Daraufhin übernahmen mehrere Angestellte, so auch der leitende Angestellte, am selben Tag eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft für sämtliche Ansprüche der Bank gegen die GmbH aus diesem Darlehensvertrag.

Als sich einige Zeit später abzeichnete, dass die GmbH den Darlehensbetrag bei Fälligkeit nicht zurückzahlen konnte, wurde kurz darauf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Bank nahm die Arbeitnehmer aus der Bürgschaft in Anspruch.

Die Bürgen vertraten im Prozess die Auffassung, dass die geschlossenen Bürgschaftsverträge sittenwidrig seien und daher keine Verpflichtung zur Zahlung der Bürgschaftssumme bestehe.

Der Bundesgerichtshof sah dies ganz anders und verurteilte die Bürgen zur Zahlung.

Keine sittenwidrige Vereinbarung

Der Bundesgerichtshof hat in langjähriger Rechtsprechung klargestellt, dass eine Bürgschaft dann sittenwidrig ist, wenn der Bürge dem Verschuldeten persönlich sehr nahe steht und die Übernahme der Bürgschaft ihn wirtschaftlich krass überfordern würde.

Die Bürgen hatten im vorliegenden Fall argumentiert, dass im Fall einer Arbeitnehmerbürgschaft keine krasse Überforderung der Bürgen erforderlich sei, wie etwa bei nahen Angehörigen. Es reiche hier vielmehr für die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft aus, dass die Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung eine Bürgschaft in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen haben.

Der Bundesgerichtshof war demgegenüber der Ansicht, dass auch bei Bürgschaften der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber nur dann eine Sittenwidrigkeit in Betracht komme, wenn die Bürgschaftsübernahme die Bürgen krass überfordere.

Die Bürgschaft eines Arbeitnehmers zugunsten seines Unternehmens sei nicht stets sittenwidrig, wenn sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen werde. Denn eine private Bürgschaft wird im Allgemeinen stets unentgeltlich zur Unterstützung des Begünstigten in einer für diesen wirtschaftlich schwierigen Situation übernommen. Allein die Kenntnis der Bank von solchen Umständen kann eine Sittenwidrigkeit einer solchen Bürgschaft nicht begründen. Daher führt auch das naheliegende Motiv eines unentgeltlich bürgenden Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, für sich genommen noch nicht zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft.

Im Übrigen könne die Übernahme einer Arbeitnehmerbürgschaft für einen solventen Arbeitnehmer – etwa einen gut verdienenden leitenden Angestellten wie hier – ein durchaus hinnehmbares Risiko darstellen, das sich bei wirtschaftlicher Gesundung seines Arbeitgebers für ihn später auszahlen könne. Es wäre also die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers in nicht zu rechtfertigender Weise beschnitten, wenn eine Arbeitnehmerbürgschaft auch dann sittenwidrig und damit nichtig wäre, wenn der bürgende Arbeitnehmer finanziell ausreichend leistungsfähig, also nicht wirtschaftlich krass überfordert sei. Da es im vorliegenden Fall an einer wirtschaftlich krassen Überforderung der Arbeitnehmer fehlte, waren die Bürgschaftserklärungen wirksam mit der Folge, dass die Bürgen hieraus von der Bank zur Zahlung der offenen Forderungen in Anspruch genommen werden konnten.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. 09. 2018 – XI ZR 380/16