RICHARD BOORBERG VERLAG

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29.03.2019

  

Autokäufer kann erst Reparatur, dann neuen Pkw verlangen

  

Der Käufer eines schadhaften Neuwagens ist berechtigt, im Rahmen der gesetzlichen Nacherfüllung zunächst das Fahrzeug reparieren zu lassen. Falls Reparaturversuche erfolglos bleiben, steht es ihm frei, nunmehr vom Verkäufer die Lieferung eines mangelfreien Neuwagens zu verlangen. Dieser Anspruch auf Neuwagenlieferung besteht auch dann, wenn es während der Rechtsstreitigkeiten dem Verkäufer gelingt, den Mangel an dem Fahrzeug doch noch zu beheben (BGH).

Ein Mann kaufte im September 2012 direkt bei einem Autohersteller einen Pkw zum Preis von 39 000 €. Das Fahrzeug war mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendete.

Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay mehrfach diese Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung bis zu 45 Minuten abkühlen zu lassen. Nachdem diese unbegründete Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten und Reparaturversuchen erneut aufgetreten war, verlangte der Käufer im Juli 2013 von dem Hersteller schließlich die Lieferung eines mangelfreien Neuwagens. Der Autohersteller bestritt das Vorliegen eines Mangels. Er habe dem Käufer mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung eine Kupplungsüberhitzung anzeige. Mit anderen Worten: Blende sich eine Warnanzeige ein, so könne diese ignoriert werden. Es kam zum Rechtsstreit. Während des Prozesses gab der Käufer das Fahrzeug Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt des Autoherstellers. Anschließend behauptete dieser, dass hierbei eine zwischenzeitlich zur Verfügung stehende neue Software als Update aufgespielt worden sei, die eine korrigierte Warnmeldung enthalte.

Das Oberlandesgericht Nürnberg sprach dem Käufer ein neues Fahrzeug gegen Rückgabe des mangelhaften Pkw zu. Auch der Bundesgerichtshof ging vom Vorliegen eines Mangels aus.

Unbegründete Warnmeldung stellt Sachmangel dar

Der Bundesgerichtshof sah bereits in der Warnmeldung als solcher einen Sachmangel des Fahrzeugs. Denn die Software blendete eine Warnmeldung ein, die den Fahrer zum Anhalten aufforderte, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl ein solches Anhalten tatsächlich nicht erforderlich war. Damit eignete sich der Pkw weder für die gewöhnliche Verwendung noch wies er eine Beschaffenheit auf, die bei Fahrzeugen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Denn trotz des Hinweises des Verkäufers, die Warnmeldung könne ignoriert werden, bleibe für den Fahrer das ungute Gefühl, dass ausnahmsweise doch einmal die Warnmeldung berechtigt sein könnte, weil die Kupplung überhitzt sei und dann ein zusätzlicher Schaden eintreten könnte.

Wechsel von Reparatur auf Lieferung eines Neuwagens ist zulässig

Die Richter betonten, dass dem Käufer im vorliegenden Fall wegen dieses Sachmangels ein Anspruch auf Ersatzlieferung eines mangelfreien PKW zustehe. Dieser Anspruch sei nicht etwa deshalb entfallen, dass er den Mangel zuerst durch mehrere Werkstattaufenthalte hatte beseitigen lassen wollen, also zunächst Reparatur als Form der Nacherfüllung gewählt hatte. Denn – so das Gericht weiter – die Ausübung des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs sei nicht als bindende Einmal-Erklärung zu verstehen, sodass der Käufer nicht gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung (Reparatur) wieder abzurücken und eine andere Art der Nacherfüllung (Lieferung eines mangelfreien Autos) zu verlangen.

Unerheblich war nach Auffassung des Gerichts, ob während des Rechtsstreits der Autohersteller tatsächlich den irreführenden Warnhinweis durch Installation einer korrigierten Version der Software hatte beseitigen können. Denn die einseitige Mängelbehebung seitens des Verkäufers zu einem Zeitpunkt, zu dem der Käufer bereits Neulieferung eines anderen Fahrzeugs verlange, sei ohne Zustimmung des Käufers unbeachtlich. Gesetzlich sei vorgesehen, dass dem Käufer die Wahl der Art der Nacherfüllung zustehe. Dieses Wahlrecht könne nicht nachträglich vom Verkäufer ausgehebelt werden.

Unverhältnismäßigkeit der Neuwagenlieferung

Letztlich konnte der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Denn zur Frage, ob der Verkäufer ausnahmsweise nicht verpflichtet sei, einen Neuwagen zu liefern, weil dies unverhältnismäßig teuer wäre, hatte die Vorinstanz noch keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob die Warnfunktion bei Überhitzung der Kupplung durch die neue Software tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft und nicht schlicht und einfach abgestellt worden war.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. 10. 2018 – VIII ZR 66/17