RICHARD BOORBERG VERLAG

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02.06.2020

  

Ausgleichszahlung bei Flugausfall wegen Pilotenstreiks

    

Flugreisende können nach Annullierung ihres Flugs wegen eines Streiks der Piloten Ausgleich verlangen, wenn die Fluggesellschaft nicht alles Zumutbare unternommen hat, um die Streichung des Flugs zu verhindern (LG Frankfurt am Main).

Hintergrund

Nach der EU-Fluggastrechteverordnung hat der Flugreisende bei Verspätungen von mehr als drei Stunden, bei kurzfristig gestrichenen oder überbuchten Flügen Anspruch auf eine Entschädigung, sog. Ausgleichsanspruch. Dessen Höhe bemisst sich nach Entfernungskilometern und beträgt entweder 250 €, 400 € oder 600 € bei Langstreckenflügen.

Das Luftfahrtunternehmen ist allerdings von dieser Ausgleichspflicht befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung oder Annullierung des Fluges auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn sämtliche zumutbaren Maßnahmen seitens der Airline ergriffen worden wären.

Beim Landgericht Frankfurt am Main war die Frage zu entscheiden, ob sich eine Fluggesellschaft bei einem Streik ihrer Piloten gegenüber ihren Fluggästen auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands berufen kann.

Der Fall

Eine Fluggesellschaft hatte im Jahr 2018 mit der Pilotenvereinigung Cockpit über den Abschluss eines Tarifvertrags verhandelt. Im Verlauf dieser Verhandlungen rief die Vereinigung Cockpit die bei der Fluggesellschaft angestellten Piloten auf, an allen deutschen Flughäfen die Arbeit niederzulegen. Diese Aufforderung befolgten zahlreiche Flugkapitäne. So kam es zum Ausfall zahlreicher Flüge.

Einer der Fluggäste machte gegenüber der Fluggesellschaft Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung geltend.

Beim Landgericht Frankfurt am Main hatte die Klage Erfolg.

Unzureichende Abhilfemaßnahmen der Fluggesellschaft

Das Gericht betonte, dass die Fluggesellschaft nicht deshalb von Ausgleichsleistungen befreit sei, weil die Annullierung der Flüge auf »außergewöhnliche Umstände « zurückgehe. Denn selbst wenn der Streik der eigenen Piloten einen solchen außergewöhnlichen Umstand für die Airline darstelle, könne sie sich im vorliegenden Fall nicht darauf berufen. Denn sie habe trotz des außergewöhnlichen Umstands nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Annullierung des Fluges zu vermeiden. Sie müsse alle zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Mittel einsetzen, um die Streichung des Fluges zu verhindern.

Im vorliegenden Fall habe sich aufgrund der stagnierenden Tarifverhandlungen schon frühzeitig abgezeichnet, dass demnächst außergewöhnliche Umstände – Pilotenstreik – auftreten würden. Daher sei das Luftfahrtunternehmen gehalten gewesen, verfügbare Flugzeuge anderer Fluglinien samt Besatzung zu chartern, um die eigenen Flüge ohne wesentliche Verzögerungen durchführen zu können. Es bestehe also zumindest die Notwendigkeit, dass sich die Fluggesellschaft um die Anmietung anderer Fluggeräte samt Besatzung bemühe.

Hier hatte die betreffende Fluggesellschaft jedoch von vornherein keinen Kontakt mit anderen Luftfahrtunternehmen aufgenommen.

Somit stand fest, dass die Fluggesellschaft sich nicht auf »außergewöhnliche Umstände « berufen konnte, da sie ihrerseits nicht alles Zumutbare zur Verhinderung der Flugannullierung unternommen hatte.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. 01. 2020 – 2-24 O 117/18