RICHARD BOORBERG VERLAG

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14.10.2021

   

Abgasskandal I: VW muss Käufern Schadenersatz auch bei Weiterverkauf des Autos zahlen

    

VW muss dem Käufer eines Fahrzeugs, das mit der illegalen Abgastechnik ausgestattet ist, auch dann Schadensersatz zahlen, wenn das Auto bereits verkauft worden ist. Eine für den Wechsel des Fahrzeugs erhaltene Prämie ist nicht vom Schadensersatz abzuziehen, entschied der Bundesgerichtshof.

Ein Mann, der vom Abgas-Skandal des Autoherstellers Volkswagen (VW) betroffen war, hatte das Unternehmen verklagt. Der Käufer hatte damals einen VW Passat mit dem Motortyp AE189 erworben – den Einsatz der darin enthaltenen illegalen Abgastechnik hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Grundsatzurteil zum Skandal im Mai 2020 als sittenwidrig eingestuft. Der Motor enthält eine Software, die dafür sorgt, dass mehr Abgase zurückgeführt werden, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Dadurch hält der Motor bei Tests die Stickoxid-Grenzwerte ein, nicht aber, wenn das Auto auf der Straße unterwegs ist. Der Wolfsburger Autobauer hatte im September 2015 bekannt gegeben, dass rund elf Millionen Fahrzeuge mit den Motoren dieses Typs betroffen waren. VW habe seine Kundschaft mit der eingebauten Technik über die Sauberkeit des Fahrzeugs getäuscht, hatte der BGH damals entschieden. Hätten sie gewusst, dass das Auto nicht so sauber ist, wie vorgegeben, hätten sie sich möglicherweise für ein anderes Fahrzeug entschieden. Auf das Urteil folgten Tausende Klagen gegen VW.1

Der oben genannte Kunde hatte sein Fahrzeug noch während des Prozesses für einen Audi in Zahlung gegeben. Dafür erhielt er eine Wechselprämie in Höhe von 6 000 €.

Schaden entstand beim Kauf des Fahrzeugs

Den Anspruch auf Schadenersatz Tausender vom Abgas-Skandal betroffene Käuferinnen und Käufer hatte der BGH in seinem Grundsatzurteil grundsätzlich bereits bejaht. Was passiert aber, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Kundin oder ein Kunde ihr bzw. sein Auto bereits weiterverkauft hat? Das Landgericht gestand dem Mann einen Anspruch auf Schadenersatz trotz des Weiterverkaufs zu. Wie auch in den übrigen Fällen wurde die Höhe des Schadenersatzes um die Nutzung und den Verkaufspreis reduziert. Diesen sog. marktgerechten Verkaufserlös bestätigte der BGH in seiner Entscheidung.2 Da der Schaden bereits beim Kauf entstanden sei, stehe dem Schadenersatzanspruch der Weiterverkauf nicht entgegen.

Prämie steht Verkäufer zu

Die Landesrichter brachten jedoch auch die Wechselprämie in Abzug. Zu Unrecht, wie die Richterinnen und Richter in Karlsruhe entschieden. Die Prämie erhalte der Käufer dafür, dass er das Fahrzeug wechsle. Die zusätzliche Vergütung habe nichts mit dem Wert des Autos zu tun. Daher stehe die Prämie dem Verkäufer und nicht VW zu.

Anmerkung der Redaktion:

Die Abgas-Affäre hat den Gerichten unzählige Verfahren eingebracht. Nach dem Grundsatzurteil des BGH im Jahr 2015, womit den Käuferinnen und Käufern ein Schadenersatzanspruch grundsätzlich zu erkannt worden ist, müssen sich die Gerichte nun mit immer kleinteiligeren Fragen, wie beispielsweise die nach dem Weiterverkauf, auseinandersetzen. Wegen der Masse an Klagen hat der BGH im Juli daher einen zusätzlichen Senat für »Diesel- Sachen« eingerichtet. Das mehrköpfige Gremium bearbeitet nun alle im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal ab August eingehenden Klagen. Der Zivilsenat VIa soll als Hilfsspruchkörper die anderen überlasteten Senate entlasten.

Anna Kristina Bückmann
Quelle:
1 Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. 05. 2020 – VI ZR 252/19; 2 Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. 07. 2021 – VI ZR 533/20