RICHARD BOORBERG VERLAG

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31.01.2022

  

Abgasskandal: Abtretung von ausländischen Ansprüchen an deutschen Inkassounternehmen nicht zulässig

  

Für die Einziehung von Forderungen von Schweizer Kunden fehlt es einem inländischen Inkassounternehmen an der notwendigen Aktivlegitimation. Die registrierte Rechtsdienstleisterin hat die notwendige besondere Sachkunde, die eine Erlaubnis für Inkassodienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bei ausländischem Recht erfordert, nicht nachgewiesen.

Financialright klagt Ansprüche von enttäuschten VW-Kunden ein

Die Rechtdienstleisterin Financialright, die die Plattform myright.de betreibt, ist ein nach dem RDG eingetragenes Inkassounternehmen. Ihr Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt, abgetretene Ansprüche gegen Übernahme der Prozesskosten und -risiken einzuklagen. Die Bezahlung erfolgt über eine Erfolgsbeteiligung der Rechtsdienstleisterin.

Ansprüche einer Schweizer VW-Kundin wurden abgetrennt

Im Zuge des sog. Abgasskandals ließ sich die Rechtsdienstleisterin europaweit von VW-Kunden Ansprüche gegen die Volkswagen AG abtreten, um die Forderungen als eigene gerichtlich einzuklagen. Zunächst machte die Inkassodienstleisterin ca. 2000 Ansprüche „gebündelt“ vor dem Landgericht Braunschweig geltend. Rechtlich erfolgte diese sog. Sammelklage über eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO. Das Landgericht Braunschweig trennte ein Verfahren, in dem es um mögliche Ansprüche einer Schweizer VW-Kundin ging, ab und entschied darüber gesondert.

LG: Abtretung wegen Gesetzesverstoß nichtig

Das Landgericht Braunschweig kommt zu dem Ergebnis, dass die Abtretung an die Rechtsdienstleisterin nach § 134 BGB wegen eines Gesetzesverstoßes nichtig sei.1 Denn mit der Einziehung möglicher Forderungen der Schweizer Kundin überschreite Financialright die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleistungen nach dem RDG. Es fehle der Rechtdienstleisterin mithin an der Aktivlegitimation zur Geltendmachung der Ansprüche.

OLG bestätigt Urteil

Dieser Entscheidung folgte das Oberlandesgericht Braunschweig und wies die Berufung der Financialright zurück.2 Die Rechtsdienstleisterin überschreite die nach den Vorschriften des RDG erteilte Befugnis, Inkassodienstleistungen zu erbringen, weil sie eine Forderung einziehe, deren Berechtigung sich nach ausländischem (hier dem schweizerischen) Recht bemesse.

Inkassodienstleistungen benötigen eine Erlaubnis

Näher führt es dazu aus, dass es sich nach § 2 Abs. 2 RDG bei der streitgegenständlichen Abtretung um eine Rechtsdienstleistung i.S.d. RDG handele. Damit sehe das Gesetz nach § 3 RDG eine Erlaubnispflicht vor, denn der Rechtsverkehr solle vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden. Grundsätzlich dürften nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG registrierte Personen – wie vorliegend die Rechtsdienstleisterin – aufgrund ihrer nachgewiesenen Sachkunde Inkassodienstleistungen erbringen.

Bei ausländischem Recht ist eine besondere Sachkunde geboten

§ 10 Abs. 3 Nr. 3 weite diesen Erlaubnistatbestand auch in den Fällen aus, in denen Rechtsdienstleistungen „in einem ausländischen Recht“ erbracht würden. Dies erfordere dem Wortlaut nach aber eine besondere Sachkunde, die die Rechtsdienstleisterin nicht nachgewiesen habe. Dieses Erfordernis sei auch gerechtfertigt, denn für die Beurteilung der streitgegenständlichen Forderung sind Kenntnisse des materiellen Schweizer Rechts erforderlich.

Anna Kristina Bückmann
Quelle:
1) Landgericht Braunschweig, Urteil vom 30.04.2020, 11 O 3092/19; 2) Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 08.10.2021, 8 U 40/21.