RICHARD BOORBERG VERLAG

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19.12.2022

Zufluss von Betriebseinnahmen

   

Führt der Einbehalt eines Teils des Honorars durch den Auftraggeber unter Hinweis auf eine Steuerschuld des Auftragnehmers zu einem Zufluss von Betriebseinnahmen beim Auftragnehmer?

D war in den Jahren 2010 und 2011 im Rahmen einer selbständigen, künstlerischen Tätigkeit als Discjockey berufstätig. Ihr wurden von der G-GbR in verschiedenen Staaten der EU Auslandsaufträge vermittelt. Diese lauteten hinsichtlich der ihr gebührenden Dienstleistungsentgelte durchweg dahin, dass ihr von ihrem höheren Gesamthonorar nur ein Teilbetrag (im Sinne eines „Netto“-Anteils) tatsächlich ausgezahlt, der verbleibende Differenzbetrag dagegen zur Abgeltung der in den Auslandsstaaten anfallenden (Quellen-)Steuern von den (Musik-)Veranstaltern als ihren Auftraggebern einbehalten werde.

Die von ihr im Rahmen ihrer Berufstätigkeit erwirtschafteten Gewinne ermittelte D in den Jahren 2010 und 2011 durch Einnahmenüberschussrechnung. Das Finanzamt beanstandete die in Ansatz gebrachten anzurechnenden ausländischen (Quellen-)Steuern: Es ließe sich nur diejenige ausländische (Quellen-)Steuer(-zahlung) berücksichtigen, deren tatsächliche Entrichtung durch über jeden Zweifel erhabene Urkunden (z. B. Steuerbescheid, Zahlungsquittung) nachgewiesen sei, hier lediglich durch die von D vorgelegten „Tax Certificate“-Bescheinigungen.

D war dagegen der Ansicht, dass der Einbehalt eines Teils des Honorars durch den Auftraggeber unter Hinweis auf eine Steuerschuld des Auftragnehmers bei der Ermittlung des Gewinns durch Einnahmenüberschussrechnung noch nicht zu einem Zufluss von Betriebseinnahmen in dieser Höhe beim Auftragnehmer führe. Ein Zufluss trete nur dann ein, wenn der Auftraggeber mit dem einbehaltenen Honoraranteil eine (Steuer-)Schuld des Auftragnehmers tatsächlich erfülle (sog. abgekürzter Zahlungsweg). Im Ausland gezahlte Steuern seien aber nicht in ausreichendem Maß auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet bzw. die Einkünfte aus der künstlerischen Tätigkeit der D im europäischen Ausland nicht in tatsächlicher Höhe, sondern unzutreffend um einbehaltene Honoraranteile erhöht und besteuert worden.

D bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Markus Preu
Quelle:
BFH-Urteil vom 16.3.2022, Az. I R 10/18