Die Eheleute M und F waren im Streitjahr 2017 verheiratet und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 07.05.2009 eine Eigentumswohnung. Diese überließen sie der Mutter der F bis zu deren Tod am 24.12.2016 unentgeltlich zur Nutzung.
Danach verkauften sie die Wohnung mit notariell beurkundetem Vertrag vom 09.11.2017 und erzielten dabei einen Gewinn. Die Eheleute machten in ihren Einkommensteuererklärungen bis einschließlich 2016 keine Unterhaltsleistungen an die Mutter der F geltend. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 gaben die Eheleute die Veräußerung der Eigentumswohnung an und erklärten unter Berücksichtigung von Veräußerungs- und Anschaffungsnebenkosten sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom 12.02.2019 erfasste das Finanzamt neben Einkünften der Eheleute aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß die sonstigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
In ihrem Einspruch vertraten die Eheleute die Auffassung, dass der Ansatz eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns für die Eigentumswohnung nicht in Betracht komme. Denn die F habe durch die unentgeltliche Überlassung an ihre zwischenzeitlich verstorbene Mutter eine Unterhaltsleistung erbracht. Die Überlassung stelle eine begünstigte Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG dar, weshalb kein privates Veräußerungsgeschäft vorliege. Das Finanzamt folgte dem nicht, weshalb die Eheleute Klage vor dem FG Düsseldorf erhoben.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Überlassung der Eigentumswohnung an die pflegebedürftige Mutter der F nehme den Vorgang nicht nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von der Steuerbarkeit als privates Veräußerungsgeschäft aus.
Private Veräußerungsgeschäfte
Nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterliegen Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, als private Veräußerungsgeschäfte der Einkommensteuer.
Ausnahme von der Steuerbarkeit bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG werden Grundstücke von der Besteuerung als private Veräußerungsgeschäfte ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Im vorliegenden Fall war fraglich, ob die Überlassung der Wohnung an die pflegebedürftige Mutter als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken angesehen werden konnte.
Das FG ging daher zunächst auf den Begriff der „Nutzung zu Wohnzwecken“ ein. Dieser umschreibe einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneten Lebenssachverhalt. Den Begriff der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ habe der Bundesfinanzhof entsprechend dem Zweck der Ausnahmeregelung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden, weit ausgelegt. Danach setze das Merkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet sei und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt werde. Der Steuerpflichtige müsse das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Unschädlich sei, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohne. Dies entspreche auch der Verwaltungsauffassung.
Keine Nutzung „zu eigenen Wohnzwecken“ liege hingegen vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Hingegen sei eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlasse. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind sei dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Überlasse der Steuerpflichtige die Wohnung jedoch nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einemDritten, liege nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor.
Die Differenzierung zwischen einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern und dritten, ggf. auch unterhaltsberechtigten Personen, begründe der Bundesfinanzhof mit dem Vereinfachungsgedanken des § 32 EStG sowie dem Zweck der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Eine vom Steuerpflichtigen zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung werde dann nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG (mittelbar) zu „eigenen Wohnzwecken“ (des Steuerpflichtigen) genutzt, wenn die Immobilie neben einem einkommensteuerlich nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind auch anderen – gegebenenfalls auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften unterhaltsberechtigten – Angehörigen überlassen werde.
Vor diesem Hintergrund führe auch die (Mit-) Nutzung durch ein weiteres, wegen seines Alters nicht (mehr) nach § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind dazu, dass die Wohnung insgesamt nicht mehr als zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen genutzt anzusehen sei. Vor diesem Hintergrund komme eine Zurechnung der Nutzung durch die Mutter der F nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Betracht. Daraus folge nämlich, dass keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliege, wenn die Immobilie einem nicht nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Angehörigen unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlassen werde. Eine Begünstigung der Wohnungsüberlassung an unterhaltsberechtigte Angehörige im Sinne des § 1601 BGB sehe die Rechtsprechung nicht vor. Denn für diesen Personenkreis könne nicht, wie bei § 32 EStG, typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt werden, sondern es wäre gerade eine Einzelfallprüfung erforderlich. Vor diesem Hintergrund war der Einkommensteuerbescheid 2017 der Eheleute rechtmäßig.
Anmerkung
Das FG ließ die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.