Nach dem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und der Zweiten juristischen Staatsprüfung absolvierte die Klägerin J in den Streitjahren 2013 und 2014 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ein Masterstudium (LL.M.). Seit August 2014 ist J als Rechtsanwältin tätig. Für das Masterstudium erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes e. V. (DAAD). Das Stipendium umfasste gemäß der Stipendienzusage einen Betrag von 9.000 Euro, der in neun monatlichen Raten von jeweils 1.000 Euro zahlbar war, einen Reisekostenzuschuss von 1.075 Euro, die Übernahme der Studiengebühren bis zu einer Höhe von 18.000 Euro nach Vorlage der Originalrechnung sowie eine Kranken-, Unfall- und Privathaftpflichtversicherung. Bestandteile der Zusage waren die "Allgemeine[n] Bedingungen für deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD" (AB-DAAD) und die "Besonderen Bedingungen". In ihren Einkommensteuererklärungen und in den Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Streitjahre (2013 und 2014) machte J Aufwendungen für das Masterstudium als Werbungskosten in Höhe von 28.568 Euro in 2023 und 23.380 Euro in 2014 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Die Aufwendungen setzten sich zusammen aus Reise- und Umzugskosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Miete, Studiengebühren, Arbeitsmittel, Versicherungen sowie Kommunikationskosten. Das Finanzamt (FA) erkannte die Aufwendungen mit Ausnahme der geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträge als (vorweggenommene) Werbungskosten an, zog hiervon jedoch den Reisekostenzuschuss, den Zuschuss für die Studiengebühren und die monatlichen Stipendienzahlungen des DAAD ab. Die festgesetzte Einkommensteuer für die Streitjahre betrug jeweils 0 Euro. Auf den 31.12.2013 stellte das FA außerdem einen verbleibenden Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesondert fest. Die Einsprüche der J wies das FA als unbegründet zurück. Auch die anschließende Klage vor dem Finanzgericht München blieb erfolglos. J ging daher in Revision vor den Bundesfinanzhof (BFH).
Die Entscheidung
Der BFH sah die Aufwendungen der Klägerin zwar dem Grunde nach als Werbungskosten an. Allerdings stünden sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den vom DAAD steuerfrei gewährten Zahlungen. Deshalb greife das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG, nach dem Werbungskosten nicht abziehbar sind, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.
Abzug von Ausbildungskosten als Werbungskosten
Grundsätzlich stellen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium nach den § 9 Abs. 6 EStG keine Werbungskosten dar. Entsprechende Aufwendungen sind jährlich beschränkt auf 6.000 Euro als Sonderausgaben abzugsfähig. Diese Grundsätze gelten jedoch nur für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium. Eine Ausnahme von dem Abzugsverbot gilt nur dann, wenn die Berufsausbildung oder das Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Zudem ist der Werbungskostenabzug dann zulässig, wenn es sich bei der Bildungsmaßnahme um eine Zweitausbildung oder ein Zweitstudium handelt. Im vorliegenden Fall lag unstreitig ein Zweitstudium vor, so dass die Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähig waren.
Steuerliche Berücksichtigung der Leistungen aus dem Stipendium
Der BFH führte aus, dass der Rückfluss bzw. die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen nach seiner ständigen Rechtsprechung als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen sei, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden seien. Handele es sich um steuerfreie Ersatzleistungen, müssen die Werbungskosten gemäß § 3c EStG entsprechend gekürzt werden. Nach diesen Maßstäben habe die Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich die Aufwendungen der J für das Masterstudium nur insoweit steuermindernd auswirkten, als sie die ihr in den Streitjahren zugeflossenen Zahlungen des DAAD überstiegen. Das Gericht ließ im Streitfall offen, ob, unter welchen Voraussetzungen und bei welcher Einkunftsart Stipendien im Allgemeinen steuerbar seien. Denn im Fall der J führten die Leistungen aus dem Stipendium zu Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn das Stipendium diene im Streitfall dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die hiernach gemäß § 19 EStG steuerbaren Leistungen des DAAD seien jedoch nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei. Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 44 EStG gelte nicht nur für Stipendien, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden (§ 3 Nr. 44 Satz 1 EStG), sondern auch für solche Stipendien, die - wie im Streitfall - zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken u. a. von einer Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes gewährt würden (§ 3 Nr. 44 Satz 2 EStG). Der DAAD erfülle als steuerbegünstigter eingetragener Verein diese Kriterien. Zudem lägen die weiteren Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG vor, weil das Stipendium einen für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht überstieg. Zudem sei es nach den vom DAAD erlassenen Richtlinien vergeben worden. J sei ferner als Empfängerin im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet gewesen (vgl. § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG).
Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG
Nachdem die Werbungskosten der J mit nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreien Aufwendungen zusammenhingen, waren sie nach § 3c Abs. 1 EStG jedoch nicht zum Abzug zuzulassen. Denn § 3c Abs. 1 EStG enthält den im Einkommensteuerrecht geltenden Grundsatz, dass Ausgaben nicht abgezogen werden dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Hierdurch wird vermieden, dass bei steuerfreien Einnahmen ein doppelter steuerlicher Vorteil eintritt. Dieser würde eintreten, wenn zum einen die Einnahmen steuerfrei sind und zum anderen die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen abgezogen und mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden könnten. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn Einnahmen und Ausgaben durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Zudem besteht er jedenfalls immer dann, wenn die Einnahmen dazu dienen, beruflich veranlasste Aufwendungen auszugleichen oder zu erstatten. Im Streitfall sei das Stipendium der J nur für ihren Studienaufenthalt in den USA gewährt worden. Andererseits seien ihr nur wegen dieses Studienaufenthalts die als Werbungskosten geltend gemachten (Mehr-)Aufwendungen entstanden. Vor diesem Hintergrund konnten die Aufwendungen der J nach § 3c Abs. 1 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie die fraglichen Stipendienleistungen des DAAD bezogen hat.