Damit kann er einen Aufgabegewinn insoweit sofort versteuern und unter den weiteren Voraussetzungen den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (bis zu 45.000 €) und den ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG; 56 % des durchschnittlichen Einkommensteuersatzes) in Anspruch nehmen. Er kann sich aber auch für die Besteuerung ohne weitere steuerliche Vergünstigungen entscheiden, sobald die wiederkehrenden Zahlungen die Buchwerte der zum Aufgabezeitpunkt veräußerten Einzelwirtschaftsgüter überschritten werden (laufender Gewinn).
Der Fall
B führte einen handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt stellte B ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten Versicherungsunternehmen. Einen Großteil der Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs veräußerte B an die A-GmbH gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von 3.000 € ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen. Die weiteren nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden Wirtschaftsgüter, wie PKW, Kundenforderungen, Kassenbestand, Bankguthaben, Verpflichtungen aus Rückstellungen, Bank- und andere Verbindlichkeiten, wurden ebenfalls nicht an die A-GmbH veräußert. Als Übertragungsstichtag wurde der 02.01.2014 vereinbart. An diesem Tag übergab B die entsprechenden Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die A-GmbH und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen. Der gemeine Wert der in ihr Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter betrug 85.134,44 €. Auf diese entfielen Restbuchwerte in Höhe von 67.453,84 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das dem Streitjahr vorhergehende Jahr 2013 vertrat B die Ansicht, dass lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und deren Restbuchwerten, also in Höhe von 17.680 €, eine Sofortbesteuerung zu erfolgen habe. Dagegen war das Finanzamt (FA) der Auffassung, B habe auch die stillen Reserven der von ihr gegen Leibrente an die A-GmbH veräußerten Wirtschaftsgüter schon im Jahr 2013 zu versteuern. Ein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Dieses lasse R 16 Abs. 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) nur für den Fall einer Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG zu. Vorliegend sei jedoch von einer Betriebsaufgabe auszugehen. Das FA ermittelte deshalb einen Aufgabegewinn, der auch den Barwert der Leibrente umfasste.
Die Entscheidung
Der X. Senat des BFH räumt B mit seiner aktuellen Entscheidung auch für die im Rahmen der Betriebsaufgabe gegen Rentenzahlungen veräußerten Einzelwirtschaftsgüter das Wahlrecht nach R 16 Abs. 11 EStR ein.
Die Aufgabe des Gewerbebetriebs der B liege im Streitjahr 2014 vor. Denn B habe die zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter erst zum 02.01.2014 an die A-GmbH veräußert und auch erst in diesem Zeitpunkt die übrigen Wirtschaftsgüter, insbesondere das als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehende Betriebsgrundstück, in ihr Privatvermögen überführt.
- Kein Verkauf des gesamten Betriebs, aber ein Verkauf von betrieblichen Einzelwirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufgabe
B konnte nach Auffassung des BFH auch das Wahlrecht ausüben, den Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente entfällt, erst bei einem das Kapitalkonto und die Aufgabekosten übersteigenden Zufluss der Rentenzahlungen zu realisieren und die Rentenzahlungen insoweit als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern.
Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge, wie etwa gegen eine Leibrente, gewähren sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) einkommensteuerrechtliche Erleichterungen. Sofortbesteuerung sei der gesetzliche Normalfall, die Zuflussbesteuerung aber "eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung". Aus diesem Grund müsse der Steuerpflichtige bei einer Betriebsveräußerung die Zuflussbesteuerung auch ausdrücklich wählen. Die Eröffnung dieses Wahlrechts zur Zuflussbesteuerung begründet der BFH mit dem für den Veräußerer verbundenen Wagnis und ergänzend auf den Versorgungscharakter dieser Zahlungen abgestellt. Im Vordergrund dieser Rechtsprechung steht also das Risiko, dass im Fall eines frühen Todes des Veräußerers bei einer Sofortbesteuerung mehr versteuert werden muss als dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen ist. Die Zuflussbesteuerung bewirkt lediglich eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen, die sich der Steuerpflichtige durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) quasi "erkauft". Neu entschieden hat der BFH nunmehr, dass im Fall einer Betriebsaufgabe, bei der Wirtschaftsgüter gegen langfristig wiederkehrende Bezüge, insbesondere Leibrenten, veräußert werden, insoweit das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung ebenfalls besteht. Es liege eine vergleichbare Interessenlage wie im Grundfall der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Zahlungen vor.
- Zum vorliegenden Einzelfall
Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die A-GmbH gegen Leibrente kann also aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen. Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen. Dieses Wahlrecht hat B im vorliegenden Fall auch ausgeübt.