RICHARD BOORBERG VERLAG

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06.05.2024

Unterkunftskosten bei doppelter Haushaltsführung im Ausland

   

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte mit Urteil vom 09.08.20231 zu entscheiden, in welcher Höhe Unterkunftskosten für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Er kam dabei zum Ergebnis, dass diese Frage im Einzelfall zu prüfen sei, welche Kosten notwendig waren. Sei eine Dienstwohnung beamtenrechtlich zugewiesen worden, seien die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig.

Der Fall

A und B sind Eheleute. Sie unterhielten im Streitjahr eine Wohnung in Z. A arbeitete als Botschafter für die Bundesrepublik Deutschland und war in dieser Funktion zunächst in Y (Republik A) und anschließend in X (Republik B) tätig. Die Bezüge wurden von seinem Arbeitgeber teilweise als steuerpflichtig und teilweise als steuerfrei behandelt. Während seiner Dienstzeit wies das Auswärtige Amt A in der jeweiligen Residenz belegene Wohnungen mit Flächen von 249,22 qm (Y) und 185,62 qm (X) beamtenrechtlich zu. Hierfür wurde ihm eine Dienstwohnungsvergütung vom Gehalt einbehalten. Das Finanzamt erkannte die von A und B für diese Wohnungen geltend gemachten Unterkunftskosten (Dienstwohnungsvergütung und Nebenkosten) im Rahmen der doppelten Haushaltsführung des A auch im Einspruchsverfahren nur anteilig bezogen auf eine Wohnfläche von 60 qm an.

Die Entscheidung

Mit Urteil vom 09.08.2023 bestätigte der BFH nunmehr die Auffassung der Vorinstanz (FG), wonach bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung die erforderlichen tatsächlichen Unterkunftskosten zu berücksichtigen seien. Die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, die Kosten für maximal 60 m² anzuerkennen, lehnte er dagegen ab. Für diese Auffassung gebe es schlicht keine Rechtsgrundlage.

Allgemeines

Bereits das FG hat die dem A entstandenen Unterkunftskosten (Dienstwohnungsvergütung und die von A getragenen Nebenkosten), vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetzes (EStG), zu Recht in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung berücksichtigt.

A ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitjahr mit sämtlichen Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Aufgrund der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des A unterliegen die aus seiner Tätigkeit als Botschafter stammenden Einkünfte auch der Besteuerung. In diesem Zusammenhang gehören auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, zu den abzugsfähigen Werbungskosten. Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall erfüllt.

Doppelte Haushaltsführung im Inland

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG enthält mit Wirkung seit dem Veranlagungszeitraum 2014 eine besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland. Nach Auffassung des BFH scheidet eine Anwendung der Regelung auf einen im Ausland belegenen Zweithaushalt angesichts des eindeutigen Wortlauts („im Inland“) aus. Insoweit verbleibe es bei der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG, wonach notwendige Unterkunftskosten, das heißt begrenzt auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche, als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Keine Typisierung

Der BFH lässt dabei keine Typisierung zu, nach der nur Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60m²-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind.

Die Typisierung des notwendigen zusätzlichen Wohnbedarfs am Beschäftigungsort wurde von der Finanzverwaltung aus dem inländischen sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarf für Unterkunft und Wohnen einer Person nach § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und der zu dieser Vorschrift ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung abgeleitet. Diese Typisierung des Tatbestandsmerkmals „notwendig“ sieht der BFH in seiner aktuellen Entscheidung als ungeeignete Maßgröße für die Notwendigkeit von Unterkunftskosten im Ausland an. Eine „Übertragung“ der sogenannten „60 qm–Regelung“ auf Auslandssachverhalte sei schon deshalb nicht angezeigt, weil sie bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar sei. Belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort könnten regelmäßig weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden. Dies belege auch der vorliegende Streitfall, in welchem selbst das Finanzamt zugunsten der Ehegatten A und B mangels anderweitiger Erkenntnisse lediglich unterstellt habe, dass die tatsächlich von A gezahlte Dienstwohnungsvergütung der ortsüblichen Vergleichsmiete einer durchschnittlichen Wohnung entspreche.

Eine Typisierung muss sich nach Auffassung des BFH vielmehr realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Ein solch typischer Fall lasse sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland sei deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung erforderlich sind. Die von A für seine Zweitwohnungen in X und Y gezahlten Unterkunftskosten sind danach, vorbehaltlich des Abzugsverbots nach § 3c Abs. 1 EStG, in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen.

Anmerkung

Diese Entscheidung ist von Vorteil für die Betroffenen. Sie widerspricht jedoch der Verwaltungsauffassung. Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt insoweit abzuwarten.

Autoren:
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 09.08.2023 – VI R 20/21