RICHARD BOORBERG VERLAG

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05.05.2021

Unentgeltliche Wohnungsgestellung

  

Ist der Sonderausgabenabzug in Höhe der Anrechnung oder des Mietwerts möglich, wenn dauernd getrennt lebende Ehegatten einen Barunterhalt mit unentgeltlicher Wohnungsgestellung vereinbaren?

Ehemann M lebte seit 2013 von seiner Ehefrau F dauernd getrennt und zog aus der gemeinsamen Familienwohnung aus. M traf mit F im November 2015 eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Danach sollte F mit den beiden gemeinsamen Kindern noch bis Dezember 2015 die bisherige Familienwohnung bewohnen. Bei dieser Wohnung handelte es sich um eine Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von 235,62 qm, deren Eigentümer M und F je zur ideellen Hälfte waren. Die Doppelhaushälfte wurde im August 2015 an fremde Dritte veräußert und nach Auszug von F und den Kindern im Dezember 2015 übergeben.

Nach der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung war eine Zahlung des M an F i. H. v. 600 EUR pro Monat für die Zeit vom 1.8.2015 bis zur Rechtskraft der Scheidung vereinbart. Zudem waren folgende Vereinbarungen getroffen: „Solange F noch im Haus lebt, wird ein Anteil von 400 EUR als Wohnvorteil der F bewertet und nur ein Betrag von 200 EUR von M an F ausgezahlt. Für den Monat Dezember 2015 zahlt M zusätzlich einen Unterhaltsbetrag von 200 EUR.“ F hatte eine Anlage U unterschrieben, in der sie erklärte, im Jahr 2015 Geldleistungen i. H. v. 2.250 EUR und Sachleistungen i. H. v. 9.816,84 EUR von M erhalten zu haben, insgesamt also 12.066,84 EUR. In dieser Höhe stimmte sie dem Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben bei M zu. M machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2015 Unterhaltsleistungen an F i. H. v. 12.066,84 EUR als Sonderausgaben geltend. Der Sachunterhalt ergebe sich aus dem Ansatz des Mietwerts für den Miteigentumsanteil des M an der Doppelhaushälfte, die F im Jahr 2015 bewohnt habe. Die ortsübliche Miete betrage 8,68 EUR pro qm. Bei einer Größe von 235,62 qm ergäbe sich ein monatlicher Mietwert i. H. v. 2.045,18 EUR. Berücksichtige man einen Abzug von 20 % für große Objekte, so errechne sich immer noch ein Mietwert i. H. v. 1.636,14 EUR pro Monat. Davon seien 50 % – dem hälftigen Eigentumsanteil des M entsprechend – als Sachunterhalt zu berücksichtigen. Dies ergäbe einen Betrag i. H. v. 9.816,84 EUR (= 1.636,14 EUR : 2 x 12 Monate). Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, es komme ein Sonderausgabenabzug im Weg des Realsplittings nur in Höhe der Anrechnung, nicht aber in Höhe des Mietwerts der Wohnung in Betracht, wenn dauernd getrennt lebende Ehegatten einen Barunterhalt vereinbart hätten, auf den eine unentgeltliche Wohnungsgestellung Anrechnung finde. Das Finanzamt bekam beim Niedersächsischen Finanzgericht Recht.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11.06.2020, Az. 1 K 99/19