RICHARD BOORBERG VERLAG

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25.07.2022

Umzug ins Ausland

   

Zu welchem Zeitpunkt werden bei einem Umzug ins Ausland der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aufgegeben?

Im Februar 2003 wurde ein Auflösungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber A und seinem Mitarbeiter M zum Ablauf dieses Monats geschlossen. A gewährte M eine Abfindungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die in drei Tranchen zu begleichen war, und zwar die erste bei Auflösung des – befristeten – Arbeitsvertrags und die weiteren in den beiden Folgejahren.

Nachdem M sich am 8.2.2003 bei seinem künftigen Arbeitgeber in China vorgestellt, einen Anstellungsvertrag unterschrieben und ein Haus ausgesucht hatte, kehrte er zunächst nach S-Stadt zurück und flog am 20.2.2003 mit seiner Ehefrau und seinen Haustieren um 14:35 Uhr von S-Stadt über Frankfurt (Abflug 17:40 Uhr) nach China und nahm dort seine Tätigkeit auf. Die erste Abfindungsrate von A wurde seinem Konto am 20.2.2003 um 15:00 Uhr gutgeschrieben.

Das Finanzamt nahm A für die auf diese Zahlung an M entfallende Lohnsteuer in Haftung, weil M am 20.2.2003 seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthaltsort noch in Deutschland in S-Stadt gehabt habe. Denn M habe mit dem Verlassen seiner Wohnung am Morgen dieses Tages seinen Wohnsitz nicht aufgegeben, sondern erst mit Ablauf dieses Tages; der Tag des Umzugs in das Ausland zähle noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Jedenfalls habe M zum Zeitpunkt des Zuflusses der Zahlung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland noch nicht aufgegeben, weil er sich zu diesem Zeitpunkt noch körperlich in Deutschland aufgehalten habe. Fasse der Steuerpflichtige den Entschluss, seine Wohnung in Deutschland aufzugeben und dauerhaft ins Ausland umzuziehen, werde sein inländischer Wohnsitz bis zum tatsächlichen Verlassen der Wohnung am Umzugstag beibehalten. Der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland ende in diesem Fall in dem Moment, in dem der Steuerpflichtige am Umzugstag Deutschland verlasse. Der Tag des Umzugs ins Ausland zähle somit noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht des M. Bei einer Nettolohnvereinbarung fließe dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung eines sonstigen Bezuges grundsätzlich auch der Lohn in Form der vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer zu.

Das Finanzamt bekam beim Finanzgericht Hamburg Recht.

Autoren:
Marcus Preu
Quelle:
FG Hamburg, Urteil vom 12.5.2022, Az. 5 K 141/18