RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.09.2019

Umsatzsteuer bei Gebärdensprachdolmetschern

Umsatzsteuer

Ist eine selbständige Gebärdensprachdolmetscherin, die Gehörlose bei Arztbesuchen oder bei Terminen beim Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit begleitet, von der Umsatzsteuer befreit?

G arbeitet als selbständige Gebärdensprachdolmetscherin. Ihre Tätigkeit besteht u. a. darin, Gehörlose bei Arztbesuchen oder bei Terminen beim Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit zu begleiten. Im Jahr 2015 wurden bei 48,2 % der von ihr erbrachten Leistungen die Kosten von Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung getragen, im Jahr 2016 war dies bei 49,59 % ihrer Leistungen der Fall. G machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2016 umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Umsätze geltend. Leistungen von Gebärdensprachdolmetschern, die aufgrund einer Vereinbarung nach SGB XII oder im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII bzw. der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach SGB IX gegenüber Menschen mit Behinderung oder ihren Arbeitgebern erbracht werden, seien umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, G habe ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht. Als Gebärdensprachdolmetscherin erbringe sie weder eine Betreuungs- noch eine Pflegetätigkeit. Die deutsche Gebärdensprache sei als eigenständige Sprache anerkannt. Hörbehinderte Menschen hätten das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren u. a. in deutscher Gebärdensprache zu kommunizieren. Auf Wunsch des Berechtigten stellten die Träger öffentlicher Gewalt die geeigneten Kommunikationshilfen zur Verfügung oder übernähmen die Kosten hierfür. Die von G erbrachten Dolmetscherleistungen fielen unter keine Umsatzsteuerbefreiung, es bestehe vielmehr eine Umsatzsteuerpflicht für Gebärdensprachdolmetscherleistungen. G bekam beim Finanzgericht Hamburg Recht.

Quelle:
FG Hamburg, Urteil vom 26.4.2019, Az. 2 K 220/17