RICHARD BOORBERG VERLAG

×

20.01.2025

Umgekehrte Betriebsaufspaltung

   

Mit Urteil vom 22.02.2024 lehnte es der BFH ab, eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn ein Besitzunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, die nicht an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Es fehle bei diesen Sachverhalten an der personellen Verflechtung.

An der Klägerin, einer Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH, war F mit 48% unmittelbar beteiligt. Die restlichen 52% hielt eine Beteiligungsgesellschaft, die EB-GmbH. Alleinige Gesellschafterin der EB GmbH war die F-KG, deren Kommanditkapital vollständig von der F-Holding GmbH gehalten wird. Alleingesellschafter der F-Holding GmbH war wiederum F. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der F-KG mietweise Teilflächen eines Grundstücks. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der F-KG genutzt. Ab 2015 wurden diese Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die F-KG überlassen. Das Finanzamt ging von einer Betriebsaufspaltung aus. Es sah die Klägerin als Besitzgesellschaft und die F-KG als Betriebsgesellschaft an und versagte deshalb der Klägerin die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das Finanzgericht gab der Klage statt und gewährte die erweiterte Kürzung.

Die Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Finanzamts zurück und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung.

Der BFH bejahte die erweiterte Kürzung. Die Klägerin sei nicht gewerblich tätig gewesen. Es habe keine Betriebsaufspaltung vorgelegen, da die Klägerin selbst nicht zu mehr als 50% an der Besitzpersonengesellschaft beteiligt gewesen sei. Eine umgekehrte Betriebsaufspaltung tauge nicht zur Begründung einer originär gewerblichen Tätigkeit der Klägerin als Besitzkapitalgesellschaft.

Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen.

Bei einem nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisierten Besitzunternehmen gilt: Ein solcher einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. D.h.: Entscheidend ist, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personengruppe bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Zu diesen wesentlichen Fragen gehören insbesondere die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge (sachliche Verflechtung), die nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe aufgelöst werden können, die das Besitzunternehmen beherrscht.

Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig (sogenanntes Durchgriffsverbot).

Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liege nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50%unmittelbar oder mittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Der Besitzkapitalgesellschaft könnten weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung sei ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen.

Damit verneint der BFH eine kapitalistische Betriebsaufspaltung. Von einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung spricht man, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist. Vereinzelt wird aber auch von einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung gesprochen, wenn nur das Besitzunternehmen eine Kapitalgesellschaft und das Betriebsunternehmen eine Personengesellschaft ist.

Die für die Annahme einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung ist nur gegeben, wenn die Besitzkapitalgesellschaft entweder selbst oder wenigstens mittelbar – über eine andere Kapitalgesellschaft – zu mehr als 50%an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Es genügt nicht, dass an beiden Kapitalgesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Im Streitfall war die Klägerin (Besitz-GmbH) weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50% an der F-KG als Betriebsunternehmen beteiligt. Damit lag mangels personeller Verflechtung keine Betriebsaufspaltung vor, sodass die Klägerin keiner gewerblichen Tätigkeit nachging und die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen konnte.

Von Verwaltung und Rechtsprechung anerkannt wird eine sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung, bei der nicht die Besitzgesellschaft die Betriebsgesellschaft beherrscht, sondern umgekehrt die Besitzgesellschaft von der Betriebsgesellschaft beherrscht wird, nur, wenn es darum geht, einen Ausschluss einer von personenbezogenen Bindungsvoraussetzungen abhängigen Steuervergünstigung oder Investitionszulage in Fällen zu vermeiden, in denen die Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebes auf zwei Rechtsträger und damit zwei Betriebe aufgeteilt sind.

Autoren:
Dr. Carl Friedrich Vees
Quelle:
BFH, Urteil vom 22.02.2024 – III R 13/23