RICHARD BOORBERG VERLAG

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26.02.2024

Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims

   

Nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks – oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche – ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) von der Erbschaftsteuer befreit.

E hatte sechs Flurstücke geerbt. Fünf davon waren nach § 890 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt.

Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt. Die so festgestellten Werte sind dann von dem Finanzamt, das für die Erbschaftsteuer zuständig ist, als sogenannte Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.

Im Streitfall gab es die Besonderheit, dass das Finanzamt, das für die Bewertung zuständig war, drei der fünf Flurstücke, die im Grundbuch vereinigt waren, in einem Bescheid zusammengefasst und für sie einen Gesamtwert festgestellt hatte. In der Erläuterung des Bescheids hatte das Bewertungsfinanzamt angemerkt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim gegebenenfalls nur für das eine Flurstück, auf dem das Haus steht, zu gewähren sei.

Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt teilte diese Auffassung. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den Gesamtwert, der für die drei Flurstücke festgestellt worden war. Es rechnete vielmehr den Wert des Grundstücks, auf dem das Familienheim steht, aus dem Gesamtwert der Flurstücke heraus und gewährte die Erbschaftsteuerbefreiung lediglich in der entsprechenden Höhe. E dagegen war der Ansicht, ihm stünde die Steuerbefreiung für den gesamten, vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert, also für alle drei Flurstücke, zu.

Definitionen des Grundstücks

Ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist entweder im Sinne des BGB oder des Bewertungsgesetzes (BewG) zu verstehen. Betrachtet man dagegen das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, handelt es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist.

§ 12 Abs. 3 ErbStG verweist zur Bewertung von Grundstücken grundsätzlich auf das BewG. Bewertungsrechtlich ist auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 BewG abzustellen. Die wirtschaftliche Einheit bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung. Örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind aber zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG).

Keine Festlegung auf Sichtweise

Im konkreten Streitfall traf das erstinstanzliche Finanzgericht keine Entscheidung pro oder contra die eine oder die andere Sichtweise. Es folgte nicht der zivilrechtlichen Interpretation, da das mit dem Familienheim bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Es folgte aber auch nicht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste.

Vielmehr wurde die Ansicht vertreten, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte. Dies folge aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht. Zudem sei es verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen könne für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche zu begrenzen. Sollte eine solche nicht gegeben sein, müsse man sich gegebenenfalls auf eine Teilfläche beschränken.

Drohende Doppelbegünstigung sei zu vermeiden

Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das erstinstanzliche Finanzgericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit einem „großen“ Familienheim profitieren von der Befreiungsvorschrift mehr als beispielweise die Personen, die lediglich eine „kleine“ oder gar keine Immobilie erbten, weil die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.07.2023 – 3 K 14/23