Bei der Besteuerung nach der Tonnage handelt es sich um eine besondere Art der Gewinnermittlung, die nur für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr vorgesehen ist. Die Folgen des Übergangs von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zur Gewinnermittlung nach der Tonnage sind insbesondere in § 5a Abs. 4 EStG geregelt. Mit dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber beim Übergang zur Gewinnermittlung nach der Tonnage gegen eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven und für deren aufgeschobene Besteuerung entschieden. Hierfür werden die bis zum Wechsel der Gewinnermittlungsart entstandenen stillen Reserven in einem Unterschiedsbetrag gesellschafterbezogen festgestellt und später – bei Vorliegen eines Hinzurechnungstatbestands, wie etwa dem Ausscheiden des Gesellschafters oder der Veräußerung des Seeschiffs – der Besteuerung unterworfen.
Der Fall
S hatte ihren Kommanditanteil an einer Schifffahrtsgesellschaft, die den Gewinn nach der Tonnage ermittelte, von ihren Eltern geschenkt erhalten. Die beiden Eltern schieden mit der Schenkung aus der Gesellschaft aus. Der festgestellte Unterschiedsbetrag wurde jedoch, der damals geltenden Verwaltungsmeinung entsprechend, nicht anlässlich des Ausscheidens der Eltern gewinnerhöhend bei diesen erfasst, sondern seither bei S fortgeführt. Im Streitjahr 2013 veräußerte die Schifffahrtsgesellschaft ihr Seeschiff. Das Finanzamt war der Auffassung, dass infolge dieses Vorgangs der Unterschiedsbetrag bei S gewinnerhöhend aufzulösen sei. Denn der Gesetzgeber habe § 5a Abs. 4 EStG durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) rückwirkend unter anderem dahingehend ergänzt, dass der Unterschiedsbetrag im Fall der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils auf den Rechtsnachfolger übergehe. Damit sei der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der der Unterschiedsbetrag bereits bei den Eltern im Jahr ihres Ausscheidens aus der Schifffahrtsgesellschaft gewinnerhöhend hätte aufgelöst werden müssen, der Boden entzogen und die bisherige langjährige Verwaltungspraxis gesetzlich verankert worden. Der Einspruch von S wurde als gegenstandslos zurückgewiesen. Auch die Klage beim erstinstanzlichen Finanzgericht war erfolglos. Sie wurde abgewiesen und die gesetzlich angeordnete Rückwirkung der Neuregelung als verfassungsgemäß beurteilt. Die dagegen gerichtete Revision hat zur Folge, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegt hat.
Verfassungsverstoß wegen echter Rückwirkung
In seinem Beschluss vertritt der BFH die Auffassung, dass die Neuregelung eine echte Rückwirkung entfaltet und gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Zwar habe es über einen langen Zeitraum eine einheitliche Verwaltungspraxis gegeben, die bei unentgeltlichen Übertragungen inhaltlich der jetzt rückwirkend in Kraft gesetzten Neuregelung entspreche. Diese Auffassung der Finanzverwaltung sei aber zu keinem Zeitpunkt von der Rechtsprechung geteilt worden.
Unerheblich sei, ob S aufgrund der veröffentlichten Verwaltungsmeinung unter Umständen nicht darauf habe vertrauen können, die Unterschiedsbeträge nicht versteuern zu müssen. Denn verfassungsrechtlich sei das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Verlässlichkeit der durch den Gesetzgeber geschaffenen und in die durch die Gerichte für richtig erkannte Rechtslage schutzwürdig, nicht aber ein Vertrauen in die veröffentlichte Verwaltungsauffassung.