RICHARD BOORBERG VERLAG

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05.08.2024

Steuerfreiheit von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen

   

Arbeitgeberleistungen des betrieblichen Gesundheitsmanagements können nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei sein. Mit Urteil vom 23.11.2023 lehnte es der BFH jedoch ab, diese Steuerbefreiung auf Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen, die vom Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements gewährt werden, zu erstrecken.

Die klagende Arbeitgeberin, eine GmbH, ermöglichte in den Streitjahren 2011 bis 2014 ihren Arbeitnehmern die Teilnahme an sogenannten Gesundheitstagen. Die Veranstaltungen begannen jeweils freitags um 12:00 Uhr und endeten sonntags um 13:30 Uhr oder 14:00 Uhr. Die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte während der Gesundheitstage in einem Ferienzentrum oder in einem Hotel eines nicht verbundenen Unternehmens. Das Veranstaltungsangebot bestand zum Beispiel aus der Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressiver Muskelentspannung oder aus Ernährungskursen.

Der von der Klägerin für die Seminarteilnahme nebst Unterkunft und Verpflegung kalkulierte Preis betrug je Teilnehmer 285 € (2011 und 2012) beziehungsweise 280 € (2013 und 2014). Die Arbeitnehmer der Klägerin hatten lediglich einen Eigenanteil in Höhe von 99 € zu zahlen. Darüber hinaus gehende Kosten trug die Klägerin. Die Krankenkassen ordneten den von

den Arbeitnehmern gezahlten Eigenanteil als Aufwendungen im Sinne des § 20 SGB V ein und erstatteten (auf Antrag) Beträge zwischen 75 € und 99 €.

Die Klägerin behandelte die Vorteile aus der vergünstigten Teilnahme an den Gesundheitstagen insgesamt als steuerfreien Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 34 EStG. Das Finanzamt war hingegen der Ansicht, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG erstrecke sich nicht auf Neben- oder Zusatzleistungen, wie die Kosten der Verpflegung und Unterkunft und nahm die Klägerin für die auf diese geldwerten Vorteile entfallende, nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer für den Streitzeitraum durch Nachforderungsbescheid gemäß § 40 Abs. 1 EStG in Anspruch.

Da das FA über den von der Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch zunächst nicht entschieden hatte, erhob sie Untätigkeitsklage. Das FA wies dann den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Die Entscheidung

Der BFH folgte dem Finanzgericht nicht und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Die (geldwerten) Vorteile aus der unentgeltlichen oder vergünstigten Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen seien nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei. Da der Senat aufgrund fehlender Feststellungen der Vorinstanz zur Höhe der geldwerten Vorteile jedoch nicht abschließend in der Sache zu entscheiden vermöge, wies er die Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Im ersten Schritt klärte der BFH, dass die Klägerin ihren Arbeitnehmern mit der unentgeltlichen oder verbilligten Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen anlässlich der Teilnahme an den Gesundheitstagen Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Form von steuerbaren (geldwerten) Vorteilen zugewandt habe. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin, das die Qualifikation als Arbeitslohn ausschließen würde, liege nicht vor. Denn für die mit der Einräumung der Teilnahme an den Gesundheitstagen verbundenen Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung sei ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin nicht erkennbar.

Liegt damit Arbeitslohn vor, stellte der BFH im zweiten Schritt fest, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG für die in Rede stehenden Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung nicht greife.

Dies ergebe sich zunächst aus dem Wortlaut des mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 zum 01.01.2008 eingeführten § 3 Nr. 34 EStG. Steuerfrei seien danach – zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte – Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen  Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V genügen. Zu diesen Leistungen zählten nicht Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, da sie weder den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbesserten noch die Gesundheit förderten.

Das Sozialversicherungsrecht, auf das § 3 Nr. 34 EStG Bezug nehme, bestätige dies. Denn es unterscheide unter anderem zwischen den in § 20 SGB V geregelten primären Präventionsleistungen und den in § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB V genannten „übrigen Kosten“, die Versicherten im Zusammenhang mit nicht am Wohnort erbrachten allgemeinen Vorsorgeleistungen entstünden. Zu diesen „übrigen Kosten“ zählten alle Nebenleistungen zu ambulant erbrachten Vorsorgeleistungen, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.

An diese Unterscheidung, die sich im Leitfaden Prävention des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen wiederfinde, knüpfe § 3 Nr. 34 EStG an, indem er hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit lediglich auf die Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V Bezug nehme und die Vorschrift des § 23 SGB V unerwähnt lasse. Hierbei ist anzumerken: Diese Erwägungen des BFH gelten auch für die aktuelle Fassung des § 3 Nr. 34 EStG. Nachdem der Gesetzgeber mit dem Präventionsgesetz vom 17.07.2015 die §§ 20, 20a SGB V neu fasste, wurde § 3 Nr. 34 EStG durch Gesetz vom 11.12.2018 angepasst und verweist nunmehr auf §§ 20, 20b SGB V. Damit knüpft § 3 Nr. 34 EStG seither zusätzlich an das neu eingeführte Zertifizierungsverfahren nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SGB V und § 20b Abs. 1 Satz 2 SGB V an – eine Änderung ohne Auswirkung auf die vorliegend maßgebliche Auslegung des § 3 Nr. 34 EStG.

Schließlich trat der BFH noch der Auffassung des Finanzgerichts entgegen, die Steuerfreiheit der Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen ergebe sich daraus, dass es sich bei den Gesundheitstagen um eine „einheitliche Maßnahme“ handele. Der Senat verwies auf seine Rechtsprechung, wonach die Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsvorschrift grundsätzlich für jeden gewährten Vorteil einzeln zu erfolgen habe.

Damit ist einer Zusammenfassung zu einer Einheit der Boden entzogen.

Fazit

Da das Finanzgericht von einer Steuerbefreiung ausgegangen ist, hat es keine hinreichenden Feststellungen zur Bewertung der unentgeltlichen oder verbilligten Verpflegungs- und Unterkunftsleistungen getroffen. Deshalb wies der BFH die Sache mangels Spruchreife an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück, um dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Autoren:
Dr. Carl Friedrich Vees
Quelle:
BFH, Urteil vom 23.11.2023 – VI R 24/21.