RICHARD BOORBERG VERLAG

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27.01.2025

Steuerfreie Zuschläge bei Bereitschaftsdienst

   

Mit Urteil vom 11.04.2024 klärte der Bundesfinanzhof (BFH), wonach sich die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste bemisst. Dabei änderte er seine Rechtsprechung. Knüpfte man hierfür bisher an das Bereitschaftsdienstentgelt an, so hält der BFH nunmehr den Arbeitslohn für maßgeblich, der für die regelmäßige Arbeitszeit geleistet wird.

Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die in Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen werden von den Mitarbeitern auch in der Nacht betreut.

Die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit des Betreuungspersonals betrug im Streitzeitraum (Januar 2014 bis Dezember 2017) bei Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich 39 Stunden.

Die regelmäßigen monatlichen Dienstbezüge

setzten sich aus der monatlichen Regelvergütung, dem sogenannten Tabellenentgelt, der Kinderzulage und den sonstigen Zulagen zusammen. Die Zeit der nächtlichen Beaufsichtigung wurde gemäß den arbeitsvertraglichen Regelungen als Bereitschaftsdienst behandelt.

Die Bereitschaftsdienstzeit wurde zu 25% als Arbeitszeit entgolten. Daneben wurde für den Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden je tatsächlich geleisteter Stunde ein Zeitzuschlag in Höhe von 15% des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts gezahlt. Während das Bereitschaftsdienstentgelt regulär versteuert wurde, behandelte die Klägerin den Zeitzuschlag für die Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr steuerfrei.

Das Finanzamt war der Auffassung, die den Beschäftigten gezahlten Zuschläge hätten über den Höchstgrenzen des § 3b Abs. 1 EStG gelegen und seien insoweit zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt worden. Denn Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit der Zuschläge und damit maßgeblicher Grundlohn sei nicht das Tabellenentgelt, sondern lediglich das Entgelt für den Bereitschaftsdienst. Es erließ deshalb einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerbeträge für den Streitzeitraum.

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt.

Die Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Zu Recht habe das Finanzgericht die Steuerfreiheit der streitigen Nachtarbeitszuschläge nach den regelmäßigen monatlichen Dienstbezügen der Beschäftigten (Grundlohn) und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt bemessen.

Maßstab ist der sog. Grundlohn

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie für Nachtarbeit 25% und für Sonntagsarbeit grundsätzlich 50%nicht übersteigen. Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 € anzusetzen (§ 3b Abs. 2 Satz 1 EStG). Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zustehende Arbeitsentgelt und damit das Monatsgehalt, der Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütungen, laufende Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen.

Ein potenziell steuerfreier Zuschlag muss unterscheidbar neben dem Grundlohn geleistet werden. Er darf nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein. Darüber hinaus muss die Zahlung des Zuschlags zweckbestimmt erfolgen. Die Steuerbefreiung setzt dementsprechend voraus, dass die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind. Denn durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen der mit Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten, die den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stören, gewährt werden; § 3b EStG begünstigt das (zusätzliche) Entgelt „für“ die Arbeit zu besonders ungünstigen Zeiten. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist daher, dass eine zuschlagsbewehrte Tätigkeit – hier die Bereitschaftsdienste – zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm „leicht von der Hand“ geht, ist nicht entscheidend.

Streitige Zuschläge damit vollständig steuerfrei

Im Urteilsfall – so der BFH – unterschieden die arbeitsvertraglichen Regelungen hinreichend zwischen der Grundvergütung (Tabellenentgelt), dem Bereitschaftsdienstentgelt und den streitbefangenen steuerfreien Zuschlägen. Mit dem Tabellenentgelt werde die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit abgegolten. Für den Bereitschaftsdienst haben die Mitarbeiter einen zusätzlichen Anspruch auf das Bereitschaftsdienstentgelt; die Faktorisierung der Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes – hier in Höhe von 25% – diene lediglich dem Zweck der Entgeltberechnung und begegne auch arbeitsrechtlich keinen Bedenken.

Das Bereitschaftsdienstentgelt gehöre nicht zum laufenden Arbeitslohn und damit nicht zum Grundlohn gemäß § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Die während der Nachtbereitschaft verdienten Zuschläge würden indes nicht nur neben dem Bereitschaftsdienstentgelt, sondern jedenfalls auch neben dem – weil zusätzlich gewährten – Grundlohn geleistet.

Die Höhe der Steuerfreiheit der Nachtarbeitszuschläge sei – in Übereinstimmung mit dem Finanzgericht – nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt, sondern nach dem auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu bemessen. Denn nur das Tabellenentgelt sei der Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG und damit die maßgebliche Größe, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge der Höhe nach zu berechnen sei. Damit überschritten die von der Klägerin steuerfrei gezahlten Zuschläge für die geleistete Nachtbereitschaft die nach § 3b Abs. 1 EStG höchstens steuerfrei anwendbaren Prozentsätze nicht. Damit hatte die finanzgerichtliche Entscheidung den Nachforderungsbescheid zu Recht aufgehoben.

Autoren:
Carl Friedrich Vees
Quelle:
BFH, Urteil vom 11.04.2024 – VI R 1/22