RICHARD BOORBERG VERLAG

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12.06.2023

Renovierung: Mieterabfindung sofort abzugsfähig

   

Streitig war, ob Abfindungszahlungen an weichende Mieter zum Zwecke der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu qualifizieren sind. Wird ein bebautes Grundstück erworben und im Anschluss an den Erwerb weitere Aufwendungen in Form von Sanierungsmaßnahmen getätigt, können die Aufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungsaufwendungen einzuordnen sein.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, der für betriebliche und private Gebäude anzuwenden ist, erhöhen diese anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen lediglich die Anschaffungskosten. Die Aufwendungen sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung abzugsfähig, sondern erhöhen bezogen auf den Gebäudeteil lediglich die Abschreibungsbemessungsgrundlage. Dies ist der Fall, wenn die Aufwendungen innerhalb der ersten drei Jahre seit der Anschaffung 15% der Gebäudeanschaffungskosten übersteigen. Im vorliegenden Einzelfall ging es nicht um Sanierungsaufwendungen, sondern es ging um eine Mieterabfindung, die gezahlt wurde, um das Objekt sanieren zu können. Der IX. Senat des BFH ordnete in seinem Urteil vom 20.09.2022 die Mieterabfindung nicht den Sanierungskosten zu, damit bleibt sie unabhängig von der 15-%- Grenze voll abzugsfähig.

Der Fall

Die G-GbR, deren Gesellschaftszweck die Vermietung von Grundstücken ist, erwarb mit Vertrag vom 30.03.2016 eine vier Wohneinheiten umfassende vermietete Immobilie zum Kaufpreis von 1.200.000 €. Von 2016 bis 2018 renovierte sie das unter Denkmalschutz stehende Objekt für rund 615.000 €. Um die Mieter zur Beendigung der Mietverträge und Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen und die Renovierungsarbeiten durchführen zu können, zahlte die G-GbR im Jahr 2017 Abfindungen in Höhe von insgesamt 35.000 €.

Ohne die Räumung wäre die Renovierung zwar technisch möglich, aber umständlicher gewesen. Die G-GbR begehrt für die Mieterabfindungen die Anerkennung als sofort abziehbare Werbungskosten. Das Finanzamt (FA) ging im Anschluss an eine Betriebsprüfung davon aus, dass die im sachlichen Zusammenhang mit den Baumaßnahmen stehenden Aufwendungen als Herstellungskosten zu qualifizieren seien. Dementsprechend kürzte es die Werbungskosten der G-GbR. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA änderte antragsgemäß die Gebäude-Anschaffungskosten. Im anschließenden Klageverfahren war streitig, ob die Mieterabfindungen wie die Erhaltungsaufwendungen aus der Sanierung der dann leerstehenden Wohnungen in die 15-%-Grenze des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands einzubeziehen sind.

Die Entscheidung

Der IX. Senat des BFH kommt in seiner Entscheidung zum Schluss, dass das Finanzgericht (FG) wie auch das FA zu Unrecht die Mieterabfindungen in die Bemessungsgrundlage zur Prüfung des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands einbezogen hat. Es liegen nach Auffassung des BFH keine anschaffungsnahen Herstellungskosten im Sinne des § 6 Abs.1 Nr. 1a i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG vor. Die Mieterabfindungen stellen danach vielmehr sofort abzugsfähige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vor.

Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften

Zu den bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abziehbaren Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch Absetzungen für Abnutzung (AfA) für die zur Einkunftserzielung genutzten Gebäude. Bemessungsgrundlage für die AfA sind die Gebäudeanschaffungs- oder -herstellungskosten. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB).

Herstellungskosten nach § 255 HGB

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die Abschreibungsbemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG). Sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.

Unter den Begriff der Instandsetzungsund Modernisierungsmaßnahmen in diesem Sinne fallen bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Ausgenommen sind nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Nach dieser sogenannten Regelvermutung liegen anschaffungsnahe Herstellungskosten vor, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedarf. Wird die Grenze von 15%der für den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten überschritten, sind sie insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln.

Mieterabfindung wie Erhaltungsaufwendungen?

Im Rahmen dieser Regelvermutung sind auch die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung verdeckter, im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes jedoch bereits vorhandener Mängel erfasst. Gleiches gilt für Kosten zur Beseitigung bei Anschaffung des Gebäudes bereits angelegter, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte; auch solche Aufwendungen sind ihrer Natur nach verdeckte Mängel und deshalb in die Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten einzubeziehen.

Demgegenüber sind Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht in dem oben genannten Sinne „angelegt“ war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht worden ist, nicht zu berücksichtigen. Allerdings beziehen sich alle Aufwendungen, die zu berücksichtigen sind, auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst. Dazu gehören insbesondere Aufwendungen, die vom Grundsatz her als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären. Dagegen reicht das Bestehen eines (mittelbaren oder unmittelbaren) Veranlassungszusammenhangs zwischen den Kosten und den Instandsetzungsund Modernisierungsmaßnahmen allein nicht aus, um die Aufwendungen den anschaffungsnahen Aufwendungen § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zuzurechnen. Mieterabfindungen, um die leerstehenden Einheiten besser renovieren zu können, gehören nach Auffassung des BFH deshalb nicht dazu.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 20.09.2022 – IX R 29/21