RICHARD BOORBERG VERLAG

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10.04.2023

Rechtswidrigkeit einer unangekündigten Wohnungsbesichtigung

   

Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als Flankenschutzprüfer, um die Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer zu überprüfen, ist dann rechtswidrig, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige der Ortsbesichtigung zustimmt und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff in Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliegt. 

F ist angestellte Geschäftsführerin eines Restaurants und als selbstständige Unternehmensberaterin tätig. Für das Streitjahr 2015 machte sie bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von rund 570 € geltend. Der Steuerberater von F
reichte auf Nachfrage des Finanzamts eine Skizze der Wohnung ein. Der Skizze war zu entnehmen, dass zur Wohnung ein Zimmer gehörte, das maschinenschriftlich mit „SCHLAFEN“ bezeichnet wurde. Diese Bezeichnung war durchgestrichen und handschriftlich durch „ARBEIT“ ersetzt worden.

Keiner der übrigen Räume war als Schlafzimmer bezeichnet worden. Der Sachbearbeiter hielt die Skizze für klärungsbedürftig und schaltete den hausinternen Flankenschutzprüfer ein. Bei dem Flankenschutzprüfer handelte es sich um einen Beamten der Steuerfahndung. Der Steuerfahnder
erschien unangekündigt in der Privatwohnung von F, um zu prüfen, ob das Arbeitszimmer wie angegeben vorhanden war. Er traf F an, wies sich aus und betrat, da F der Besichtigung unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren nicht widersprach, die Wohnung. Der Beamte stellte fest, dass die Angaben der F in der Steuererklärung den Tatsachen entsprachen und das Arbeitszimmer existierte.

F legte gegen die Besichtigung Einspruch ein, der als unzulässig verworfen wurde. Daraufhin klagte F – mit Erfolg in der zweiten Instanz. Die Besichtigung war rechtswidrig.

Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Artikel 13 Abs. 1 GG verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel, wie etwa Skizzen oder Fotografien, nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige – wie F im Streitfall – der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt.

Die Ermittlungsmaßnahme war auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der eranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte, wie etwa Besucher oder Nachbarn, glauben könnten, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

F hatte also ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Ortsbesichtigung rechtswidrig war. Berechtigtes Interesse ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 12.07.2022 – VIII R 8/19