RICHARD BOORBERG VERLAG

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15.05.2023

Realsplitting oder Vermietungseinkünfte bei geschiedenen Ehegatten?

   

Der BFH stellt klar, dass bei der Gewährung von Naturalleistungen im Rahmen der Unterhaltsgewährung ein Wahlrecht besteht. Die dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten können sich im Einzelfall entscheiden, ob der Wohnraum entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird.

Mit der Entscheidung des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.06.20221 stellt der Bundesfinanzhof (BFH) klar, dass bei der Gewährung von Naturalleistungen (hier: Wohnraum) im Rahmen der Unterhaltsgewährung ein Wahlrecht besteht. Die dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten können sich im Einzelfall entscheiden, ob der Wohnraum entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird.

Die unentgeltliche Überlassung führt beim überlassenden Ehegatten zu Sonderausgaben im Rahmen des Realsplittings (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG) und beim Nutzenden zu korrespondierenden sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 1a EStG). Wird hingegen ein Mietvertrag über den Wohnraum abgeschlossen und der nutzende und unterhaltsberechtigte Ehegatte erhält daneben vom unterhaltsverpflichteten Ehegatten Barunterhalt, liegen neben den Folgen des Realsplittings beim Unterhaltsverpflichteten Vermietungseinkünfte vor (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Dieser Weg wäre zu wählen, wenn der Werbungskostenabzug in Anspruch genommen werden soll.

Der Fall

A und B waren im Streitjahr 2015 noch miteinander verheiratet, lebten aber dauernd getrennt. A und die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder bewohnten noch bis Dezember 2015 die bisherige Familienwohnung, deren Eigentümer A und B je zur Hälfte waren. A und B schlossen im November 2015 eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, in der sich B u.a. dazu verpflichtete, A für die Zeit ab August 2015 bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils Trennungsunterhalt von monatlich 200 € als Elementar- und Versorgungsunterhalt zu zahlen. A und B einigten sich darauf, dass der Trennungsunterhalt monatlich 600 € betrug, dass allerdings ein mit 400 € zu bewertender Wohnvorteil für die Überlassung des Miteigentumsanteils an der zuvor gemeinsam genutzten Familienwohnung in Abzug zu bringen war. A verpflichtete sich, für B die Anlage U zur Einkommensteuererklärung zu unterzeichnen.

Im Gegenzug verpflichtete sich B, A von „allen hieraus erwachsenden steuerlichen Nachteilen“ freizuhalten. B machte für das Streitjahr zunächst Unterhaltsleistungen an A von 9.450 € als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt (FA) und B wurden sich nicht über die Höhe der anzuerkennenden Unterhaltszahlungen einig. Im schließlich geführten Revisionsverfahren vertritt B die Rechtsansicht, die Überlassung des auf ihn entfallenden Miteigentumsanteils an der ehemaligen Familienwohnung, die als Gewährung von Naturalunterhalt zu werten und nicht Gegenstand eines entgeltlichen Mietverhältnisses gewesen sei, müsse mit dem ortsüblichen Mietwert bewertet werden. Damit sei beim Abzug der Unterhaltsleistungen für die Nutzungsüberlassung des Wohnungsanteils nicht von dem mit A lediglich der Betrag von 400 € als Unterhaltsleistung zu werten, sondern der tatsächliche Mietwert des Miteigentumsanteils des B an der Wohnung. Dieser betrug mindestens 818,07 €.

Der X. Senat des BFH bestätigte die Auffassung des FA.

Allgemeines

Unterhalt im Rahmen des Realsplittings kann in Bar- oder Sachunterhalt erbracht werden. Vereinbaren die Beteiligten für die Gewährung des teilweisen Sachunterhalts einen anzuerkennenden Mietvertrag, ist dieser Vertrag der einkommensteuerlichen Beurteilung zugrundezulegen.

Zum vorliegenden Einzelfall

Vorliegend vereinbarten A und B neben der Gewährung von Barunterhalt nicht etwa die Überlassung der Wohnungshälfte von B an A. Sie vereinbarten vielmehr ein Mietverhältnis. Das Mietverhältnis erfüllt auch die Voraussetzungen eines Mietvertrags wie unter Fremden und ist damit einkommensteuerlich anzuerkennen. Aus diesem Grund bestimmt sich der Sonderausgabenabzug von B an der Höhe des Barunterhalts und der vereinbarten Miete. Es besteht in diesem Fall auch kein Wahlrecht, die ortsübliche Miete anzusetzen. Das wäre nur dann der Fall, wenn A und B neben Barunterhalt als Sachunterhalt die unentgeltliche Überlassung der Wohnungshälfte von B an A vereinbart hätten. Dann wäre B auch nicht Vermieter und hätte damit auch nicht die Möglichkeit, Werbungskosten im Rahmen seiner Vermietungseinkünfte geltend zu machen.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 29.06.2022 – X R 33/20