Der Fall
Eine GmbH zahlte ihren Arbeitnehmern nach Ablauf eines Geschäftsjahres Boni unter Berücksichtigung des Erfolgs des vorangegangenen Geschäftsjahres. Hierüber waren jedoch keine schriftlichen Verträge mit den jeweiligen Arbeitnehmern gefasst worden. Seit dem Jahr 2007 wurde neuen Mitarbeitern bei der Einstellung eine Information übergeben, aus der sich ergab, dass die GmbH für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf und guter Perspektive im Frühjahr des folgenden Kalenderjahres einen Jahresbonus zahlen werde. Bei dem Bonus handele es sich jedoch um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch. Diese Regelung galt auch im Streitjahr 2014.
Für das Streitjahr wurden Boni in Höhe von 307.354 € an die Mitarbeiter ausgezahlt. Die Auszahlung erfolgte im März 2015 nach Feststellung des Jahresabschlusses 2014. In ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2014 wies die GmbH eine Rückstellung für Mitarbeiterboni in Höhe von 307.354 € aus. Dies entsprach 10,6% vom Jahresüberschuss (vor Boni). Zugleich wurde die für das Vorjahr gebildete Rückstellung für Mitarbeiterboni in Höhe von 173.000 € wegen Verbrauchs aufgelöst. Im Anschluss an eine Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die ausgezahlten Mitarbeiterboni den Gewinn erst im Zeitpunkt der Auszahlung mindern dürften. Eine gewinnmindernde Rückstellung im Wirtschaftsjahr vor der Auszahlung sei nicht zulässig, da noch keine wirtschaftliche Belastung eingetreten sei und die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte der Bildung einer Rückstellung entgegenstünden.
Einer wirtschaftlichen Verursachung im abgelaufenen Wirtschaftsjahr stehe zudem entgegen, dass der Anspruch der Arbeitnehmer von weiteren, erst in der Zukunft liegenden Vorbedingungen abhänge. Denn über die Höhe der Mitarbeiterboni werde durch den Geschäftsführer der GmbH erst im Folgejahr und abhängig von der zukünftigen Gewinnsituation der Gesellschaft entschieden. Im Übrigen würden weder die Arbeitsverträge noch eine Betriebsvereinbarung einen Bonusanspruch vorsehen. Auch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung ergebe sich kein derartiger Anspruch. Zudem orientierten sich die freiwilligen Bonusleistungen nicht nur am Betriebsergebnis des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, sondern auch an der jeweils zukünftigen Ertragslage.
Die Firma brachte hingegen vor, sie habe das System der freiwilligen Mitarbeiterboni bereits seit Jahren praktiziert und lediglich für das Verlustjahr 2009 keine Boni ausgezahlt. Die Bildung einer Rückstellung sei zulässig. Denn für die Rückstellungsbildung sei eine hinreichend wahrscheinliche Entstehung der Verbindlichkeit ausreichend. Das sei bei den regelmäßig gewährten Mitarbeiterboni der Fall.
Aufgrund der Regelmäßigkeit der Gewährung der Boni müsse sogar von einer „betrieblichen Übung” im arbeitsrechtlichen Sinne ausgegangen werden. Der Freiwilligkeitsvorbehalt stehe dem nicht entgegen. Die Verbindlichkeit sei zudem auch vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden, denn das auslösende Moment für die Verpflichtung sei allein die jeweilige Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im abgelaufenen Geschäftsjahr. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren klagte die GmbH vor dem Finanzgericht Münster.
Die Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Bildung der Rückstellung im Streitjahr 2014 war somit rechtmäßig. Im Streitfall ergebe sich die für die Rückstellungsbildung notwendige hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer Verbindlichkeit aus der bestehenden ständigen Übung der GmbH, Boni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Das Finanzgericht führte aus, dass im Streitfall einzig eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch in Betracht komme. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten könne nicht nur dann gebildet werden, wenn eine Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit Sicherheit bestehe und nur ihre Höhe ungewiss sei, sondern auch dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entstehe, wobei zudem deren Höhe ungewiss sein könne. Im Streitfall liege die zweite Alternative vor. Wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts habe die Verbindlichkeit am Bilanzstichtag 31.12.2014 weder dem Grunde nach der Höhe, noch mit Sicherheit festgestanden. Dies verhindere jedoch nicht die Bildung der Rückstellung. Vielmehr sei die künftige Entstehung einer entsprechenden Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit der GmbH auf Auszahlung der Mitarbeiterboni (mehr als „51%”) habe sich im Streitfall aus der seit Jahren bestehenden ständigen Übung der GmbH ergeben, Boni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen. Die Verbindlichkeit sei zudem auch wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag 31.12.2014 verursacht gewesen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs müsse dazu der wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung in der Vergangenheit liegen, sodass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpfe, sondern auch Vergangenes abgelte. Nachdem die Boni im Streitfall primär die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr abgelten sollten, sei diese Voraussetzung erfüllt gewesen. Soweit die Mitarbeiterboni zudem dem Zweck gedient hätten, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, sei dies der Rückstellungsbildung nicht hinderlich. Denn nach der Überzeugung des Gerichts habe es sich hierbei lediglich um einen Nebenzweck gehandelt, der den Hauptzweck der Abgeltung der Arbeitsleistung der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr zumindest nicht zu überlagern vermocht habe.
Anmerkung
In entsprechender Anwendung der Grundsätze des rechtskräftigen Urteils kann in der Praxis eine Rückstellung für Mitarbeiterboni auch dann gebildet werden, wenn die Boni nicht vertraglich vereinbart wurden. Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass die Boni bereits in ständiger betrieblicher Übung – und damit mehrjährig – gewährt werden und dass sie sich auf in dem abgelaufenen Geschäftsjahr erbrachte Leistungen der Mitarbeiter beziehen.