Die Eheleute A und B haben mit Kaufvertrag vom Dezember 2008 zu jeweils hälftigem Miteigentum ein Einfamilienhaus erworben. Sie nutzten es seit diesem Zeitpunkt zusammen mit ihrem 2007 geborenen Kind E zu eigenen Wohnzwecken. Das Ehepaar trennte sich 2015. Aufgrund der Trennung von B und der beabsichtigten Scheidung zog A im August 2015 aus dem gemeinsamen Haus aus. Eine räumliche Trennung der Lebensgemeinschaft innerhalb des Familienheims war aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich.
Das EFH wurde weiterhin durch die Ehefrau und das gemeinsame Kind genutzt. Die Ehe des A und der B wurde durch rechtskräftiges Urteil eines Amtsgerichts vom 08.06.2017 geschieden. B drohte dem A die Zwangsversteigerung des gemeinsamen Einfamilienhauses an, sollte er seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus nicht an sie veräußern. Daraufhin veräußerte A mit notariell beurkundeter Scheidungsfolgenvereinbarung vom 10.08.2017 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Familienheim an E.
Dabei entstand ein Veräußerungsgewinn. In seiner Einkommensteuererklärung 2017 erklärte A keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG, sondern behandelte den der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung seines hälftigen Miteigentumsanteils als steuerfrei. Das Finanzamt ging hingegen von einer Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns aus.
Nachdem der Einspruch gegen die Steuerfestsetzung erfolglos geblieben war, klagte A vor dem FG. Hierbei machte er geltend, dass er seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug an sein minderjähriges Kind überlassen habe. Dies sei wie eine Selbstnutzung des Miteigentumsanteils durch den A zu werten. Bei selbstgenutzten Immobilien unterliege ein Veräußerungsgewinn auch während der 10-jährigen Veräußerungsfrist jedoch nicht der Einkommensteuer.
Die Entscheidung
Das FG wies die Klage ab. Das Finanzamt habe zu Recht einen Veräußerungsgewinn besteuert. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liege nicht vor.
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
Das FG ging zunächst auf die Voraussetzungen für das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts ein. Nach § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liege ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft bei Grundstücken dann vor, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betrage. Ausgenommen davon seien nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (Alt. 1) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (Alt. 2) genutzt wurden.
Nutzung einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken
Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken” setze in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Der Steuerpflichtige müsse das Gebäude zumindest „auch” selbst nutzen; unschädlich sei hingegen, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohne. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken” liege hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich auch selbst zu bewohnen. Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sei es laut der Gesetzesbegründung, ungerechtfertigte Besteuerungen von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden.
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Überlassung einer Wohnung an ein Kind
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zudem so zu verstehen, dass eine solche auch vorliege, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (d.h. ein Kind, für das ihm das Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht; vgl. § 32 EStG) unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlasse. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind sei dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Nach Auffassung des FG München lag im Streitfall jedoch keine unentgeltliche Überlassung des Miteigentumsanteils durch A an das minderjährige Kind vor. Zwar sei es zivilrechtlich möglich, einen Miteigentumsanteil an eine dritte Person zur alleinigen Nutzung zu überlassen.
Eine alleinige Nutzungsüberlassung an das im Zeitpunkt des Auszugs des Ehemannes A neunjährige Kind sei jedoch nicht glaubhaft. Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i.S. des § 23 EStG erfordere in der Regel das Führen eines eigenständigen Haushalts. Eine eigenständige Haushaltsführung durch ein neunjähriges Kind sei jedoch nicht vorstellbar. Folglich habe der Ehemann durch die Übertragung zur Erfüllung des Zugewinnausgleichs auf seine Ex-Frau ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG verwirklicht.
Anmerkung
Die Rechtsfolge wäre auch dann eingetreten, wenn beide Ehepartner ihre Miteigentumsanteile an einen Dritten veräußert hätten. In diesem Fall wäre der Miteigentumsanteil der das Wohnobjekt weiterhin nutzenden Ehefrau jedoch unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gefallen – damit wäre insoweit keine Steuerpflicht eingetreten. Die Veräußerung des Miteigentumsanteils des Ehemannes, der aufgrund des Auszugs das Objekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzte – unterfiele dieser Ausnahme auch bei Veräußerungen an einen Dritten nicht. Damit wäre vom Ehemann auch in diesem Fall ein Veräußerungsgewinn zu versteuern. Die vom FG zugelassene Revision wird beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 11/21 geführt.