RICHARD BOORBERG VERLAG

×

12.07.2021

Kunst und Kulinarik

   

Unterliegt ein Leistungsbündel aus künstlerischer Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste der Regelbesteuerung, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen?

Die gemeinnützige G-GmbH betreibt das Volkstheater in S-Stadt und führt in kulturhistorischen Räumen Komödien in Mundart auf. Die Stücke werden in einem volkstümlichen Ambiente derart dargestellt, dass sich die Hauptszenen an einem Ort abspielen, an dem in der Regel gegessen und getrunken wird. Bei den Veranstaltungen erhalten die Gäste mit dem Kauf einer Eintrittskarte die Eintrittsberechtigung sowie die Berechtigung zum Verzehr eines Drei-Gänge-Menüs.

Das Stück beginnt, wenn die Gäste den Raum betreten. Schauspieler weisen den Gästen ihre Plätze zu. Im Rahmen des Stücks erhalten die Gäste wie auch die Schauspieler ein Essen, das in die einzelnen Szenen integriert ist. Dabei sind die Schauspieler zugleich das Bedienpersonal. Die Aufführung wird nicht unterbrochen. Während des gesamten Stücks werden die Gäste in die Szenen einbezogen. Die Essensvarianten sind Bestandteile der einzelnen Szenen und sollen die Volkstümlichkeit der Aufführungen sowie regionale Besonderheiten hervorheben.

Die G-GmbH erklärte für 2010 bis 2013 Leistungen mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz und machte Vorsteuern geltend. Die beiden Leistungsbestandteile künstlerische Leistung und Bewirtungsleistung stünden nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Denn bei beiden Leistungen handele es sich nicht um ein bloßes Mittel, um die jeweils andere Leistung bestmöglich in Anspruch zu nehmen. Bewirtung und Darbietung erfüllten einen gemeinsamen Zweck. Ein Vergleich mit Dinnershows verbiete sich, denn der Theaterbesucher habe weder Einfluss auf die Menüauswahl noch auf die Reihenfolge der Speisen.

Das Finanzamt unterwarf in den Umsatzsteuerbescheiden für 2010 bis 2013 diese Umsätze der G-GmbH dagegen dem Regelsteuersatz. Zu den umsatzsteuerbegünstigten Umsätzen der Theater gehörten nur Leistungen, die für den Betrieb eines Theaters typisch seien. Wenn sich ein Leistungsbündel aus künstlerischer Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste in der Gesamtschau eines Durchschnittsverbrauchers als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstelle, sei der Tatbestand nicht erfüllt. Eine derartige Leistung unterliege der Regelbesteuerung auch dann, wenn die Qualität der Darbietung höher sei als die Qualität der Speisen. Das Finanzamt bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Autoren:
Marcus Preu
Quelle:
BFH-Urteil vom 10.12.2020, Az. V R 39/18