RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.10.2023

Kosten für Hausnotruf nur begünstigt, wenn nicht nur Benachrichtigung erfolgt

   

Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht bereits als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt sind.

Allerdings muss die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 EStG). Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hatte mit Urteil vom 15.02.20231 wieder einmal über die Kosten für einen Hausnotruf zu entscheiden. Mit dieser Entscheidung unterscheidet er danach, was der Hausnotruf im Alarmfall bewirkt. Da im entschiedenen Fall nur eine telefonische Entgegennahme erfolgte, die darin bestand, dass von dort eine nahestehende Person telefonisch verständigt wurde, die dann zum Steuerpflichtigen fahren kann, sah der BFH keine haushaltsnahe Dienstleistung gegeben.

Der Fall

Die im Jahr 1933 geborene Rentnerin R nahm im Streitjahr 2018 Leistungen der X-GmbH für ein Hausnotrufsystem in Anspruch und zahlte dafür 288 €. Dabei buchte sie das Paket Standard mit Gerätebereitstellung und 24-Stunden- Servicezentrale. Sie buchte jedoch nicht den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und Grundversorgung. R begehrte für diese Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG für haushaltsnahe Dienstleistungen. Das Finanzamt wies den Antrag auch im Einspruchsverfahren zurück. Es werde bei dieser Form des Hausnotrufs eben gerade keine haushaltsnahe Dienstleistung erbracht. Der Hausnotruf verständige lediglich eine Person aus dem privaten Umfeld der R, die daraufhin zu R fährt. Damit erschöpfe sich die Leistung der Hausnotruf-Zentrale in der Vermittlung bzw. Benachrichtigung der nahestehenden Person der R. Das Finanzgericht gab der Klage der R statt und gewährte die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG. Das Finanzamt ging daraufhin in Revision.

Die Entscheidung

Der VI. Senat bestätigt mit seinem Urteil die Auffassung des Finanzamts.

Begriff der haushaltsnahen Dienstleistung

Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ sei gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach Auffassung des BFH müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Dabei kann nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich hierbei allerdings auch insoweit um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.

Leistungen außerhalb des Haushalts nicht begünstigt

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG seien Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Insoweit kommt es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an.

Vorliegende Aufwendungen für das Hausnotrufsystem nicht begünstigt

Zwar liegt den Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine haushaltsnahe Dienstleistung zugrunde. Durch das Hausnotrufsystem wird sichergestellt, dass R, wenn sie sich im räumlichen Bereich ihres Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen kann2. Eine solche Rufbereitschaft leisten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige. Die Dienstleistung wird aber im vorliegenden Fall nicht im Haushalt der R erbracht. Vorliegend zahlt R für

– die Bereitstellung der erforderlichen Technik, mittels derer der Kontakt zu der Einsatzzentrale ausgelöst wird,

– das Bereithalten des Personals für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und

– je nach Situation anschließender Kontaktierung von Angehörigen, Nachbarn, eines vorhandenen Bereitschaftsdienstes, des Hausarztes, Pflege- oder Rettungsdienstes.

Die wesentliche Dienstleistung ist also (nur) die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugspersonen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc. per Telefon und nicht das Rufen des Notdienstes durch die R selbst. Diese maßgebende Dienstleistung wird nicht in der Wohnung der R und damit nicht in deren Haushalt erbracht.

Fazit

Bei einem reinen Hausnotrufsystem im privaten Haushalt wird keine unmittelbare Direkthilfe in Form eines Sofort-Helfer-Einsatzes in der Wohnung des Steuerpflichtigen geschuldet, sondern im Einzelfall als eigenständige Leistung Dritter vermittelt. Mangels Leistungserbringung im Haushalt scheidet deshalb in diesem Fall eine Steuerermäßigung für in Anspruch genommene Pflegeund Betreuungsleistung i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 EStG aus. Die Aufwendungen sind nicht begünstigt.

Die Aufwendungen sind dagegen begünstigt, wenn etwa im Bereich des Betreuten Wohnens beschäftigte Pfleger jeweils einen sog. Piepser bei sich tragen, der den Notruf sofort an sie weiterleitet3. Im dort entschiedenen Fall wurde mit Hilfe des Piepsers unmittelbar auch die Notfall-Soforthilfe im Haushalt durch das auf diese Weise verständigte Pflegepersonal sichergestellt.

1 BFH, Urteil vom 15.02.2023 – VI R 7/21.

2 BFH, Urteil vom 03.09.2015 – IV R 18/14, BStBl II 2016 S. 272.

3 BFH, Urteil vom 03.09.2015 – IV R 18/14, BStBl II 2016 S. 272.

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 15.02.2023 – VI R 7/21