Der Kläger ist Vater einer im Februar 1996 geborenen Tochter (T). Nach dem Abitur nahm T im Wintersemester 2014/2015 zunächst ein Studium im Fach B auf. Zum Wintersemester 2015/2016 wechselte sie in das Studienfach C und schloss dieses Studium zum Ende des Sommersemesters 2018 mit dem Bachelor of Science ab. Zwischen dem 01.10.2018 und dem 31.05.2019 absolvierte T ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) im Ausland.
Am 01.10.2019 nahm sie das Masterstudium im Fach C auf. Der Zulassungsbescheid der Universität datiert vom 10.07.2019. Streitig ist der Kindergeldanspruch des Klägers für den Zeitraum Juli bis September 2019, in dem T eine befristete Aushilfstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden ausübte. Die Bezügestelle hob die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab 01.06.2019 auf und forderte das für Juni und Juli 2019 bereits ausgezahlte Kindergeld vom Kläger zurück. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht gab der Klage statt.
Die Entscheidung
Der BFH gab der Revision statt und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts ist der Kindergeldanspruch des Klägers für T im Streitzeitraum nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen.
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn es
– für einen Beruf ausgebildet wird (Buchst. a),
– sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet (Buchst. b),
– eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann (Buchst. c),
– einen Freiwilligendienst leistet (Buchst. d).
Vorliegend kam der Kindergeldanspruch nach Buchst. c in Betracht. Denn im Streitzeitraum ging T keiner Ausbildung nach (Buchst. a), der Abschluss des Bachelor-Studiums lag bereits mehr als vier Monate zurück (Buchst. b) und der Freiwilligendienst liegt vor dem Streitzeitraum (Buchst. d). Sowohl das Finanzgericht als auch der BFH nahmen auch einen Fall des Buchst. c an. T wurde mit Bescheid der Universität vom 10.07.2019 für das im Oktober 2019 beginnende Wintersemester 2019/2020 zum Masterstudium zugelassen und konnte damit dieses Studium in den Monaten Juli bis September 2019 mangels Studienplatzes nicht beginnen.
In allen vier Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums allerdings nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Mit dem Umfang von 25 Wochenstunden ging T damit einer schädlichen Erwerbstätigkeit nach, sodass es für den Kindergeldanspruch darauf ankam, ob der Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums vorliegt.
Zunächst stellt der BFH klar, dass das in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendete Tatbestandsmerkmal „Erststudium“ nur einen Unterfall des dort ebenfalls verwendeten Oberbegriffes der „erstmaligen Berufsausbildung“ darstellt. Dieser Erstausbildungsbegriff könne wie folgt charakterisiert werden:
– Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln, der auf einen Abschluss in Form einer Prüfung ausgerichtet ist und dem Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Aufnahme eines Berufs vermittelt.
– Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können sie eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (zum Beispiel dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.
Nach Auffassung des BFH fehlt es im Fall der T an diesem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten Bachelor- und Masterstudiengang. Denn nachdem T ihr Bachelorstudium zum Sommersemester 2018 abgeschlossen hatte, hat sie nicht den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung (Masterstudium) zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen, sondern sich aus persönlichen Gründen zunächst für die Ableistung eines FSJ entschieden. Der objektiv erkennbare Entschluss zur Fortsetzung der Ausbildung reiche für einen engen zeitlichen Zusammenhang nicht aus, wenn der weitere Ausbildungsabschnitt nicht aufgenommen wird, obwohl er grundsätzlich begonnen werden konnte, da weder schul-/studienorganisatorische noch andere objektive Gründe dem nächstmöglichen Beginn entgegenstehen. Eine einheitliche Erstausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG könne daher allein durch das angestrebte Berufsziel des Kindes nicht nachvollziehbar begründet werden.