RICHARD BOORBERG VERLAG

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24.04.2023

Kein Abzug von Taxikosten für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte

   

Anstelle der sogenannten Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer können die tatsächlichen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, höchstens jedoch 4.500 €, als Werbungskosten eines Arbeitnehmers abgezogen werden. Der Ansatz von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, die den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen, ist auch möglich, wenn der Steuerpflichtige einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 70 nachweist oder einen GdB von mindestens 50 hat und seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 EStG). 

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte in seiner Entscheidung vom 09.06.20221 nach Jahren wieder einmal die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, ob zu den tatsächlichen Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel auch Taxikosten zählen. Der BFH lehnt dies ab. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können daher lediglich in Höhe der Entfernungspauschale mit 0,30 € pro Entfernungskilometer
als Werbungskosten abgezogen werden.

Der Fall
Die Eheleute A und B wurden für die Streitjahre 2016 und 2017 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Seit dem Jahr 2007 ist A krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, selbst ein Kfz sicher zu führen. Sein GdB betrug in den Streitjahren 60 ohne besondere Merkzeichen. Er legte daher in den Streitjahren die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in der Regel mit einem Taxi zurück. Für die Taxifahrten entstanden A Kosten in Höhe von 6.402 € bzw. 2.670 €. A begehrte für diese Kosten den Werbungskostenabzug bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Finanzamt (FA) erkannte den Werbungskostenabzug nicht an und gewährte nur den Abzug der Entfernungspauschale in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer als Werbungskosten an. Die Vorinstanz ließ hingegen den Abzug der geltend gemachten Taxiskosten zu. 

Die Entscheidung
Nach Auffassung des BFH gehört ein im Gelegenheitsverkehr genutztes Taxi nicht zu den „öffentlichen Verkehrsmitteln“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 ff. EStG, der den Abzug der Fahrtkosten zur ersten Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers regelt. Allgemeines Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des  Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen. Der Arbeitnehmer kann dagegen höchstens 4.500 € im Kalenderjahr abziehen, wenn er anstelle eines eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagens öffentliche Verkehrsmittel benutzt. 

Der Ansatz von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, die den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen, ist auch möglich, wenn der Steuerpflichtige einen GdB von mindestens 70 nachweist oder einen GdB von mindestens 50 und seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 EStG). Begriff des öffentlichen Verkehrsmittels.

Der Begriff des „öffentlichen Verkehrsmittels“ ist im Einkommensteuergesetz gesetzlich nicht definiert. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lässt zwei Auslegungen zu. Es könnte ein Verkehrsmittel gemeint sein, das – wie u.a. ein Taxi – allgemein der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Es wäre auch möglich, den Begriff so auszulegen, dass lediglich regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel (im Linienverkehr) davon erfasst sind. 

Nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 46, 47 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ist die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr, also etwa mit einem Taxi, genehmigungspflichtig. Diese Tatsache genügt nach Auffassung des BFH jedoch nicht, um das Taxi als öffentliches Verkehrsmittel in diesem Sinne einzuordnen. 

Der VI. Senat des BFH beruft sich vielmehr auf die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 EStG sowie den Sinn und Zweck der Vorschriften. Daraus ergebe sich, dass unter die Bezeichnung im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lediglich öffentliche Verkehrsmittel im Linienverkehr fielen. 

Autoren:
Christian Kubik
Birgit Reindl
Quelle:
BFH, Urteil vom 09.06.2022 – VI R 26/20