Es kam zum Ergebnis, dass die vom Finanzamt (FA) vorgenommene Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags (IAB) keine Zweifel auslöse, die eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertige. In der Folge ging dieses Verfahren also bislang zu Gunsten der Finanzverwaltung aus. Es bleibt abzuwarten, wie die weiteren Verfahren ausgehen werden. Während teilweise vertreten wird, dass die rückwirkend zum 01.01.2022 eingeführte Steuerbefreiung verfassungsrechtlich bedenklich sei, sehen andere Finanzgerichte darin nur eine unechte, aber zulässige Rückwirkung. Da sich der Investitionsabzugsbetrag als vorweggenommene Betriebsausgaben gewinnmindernd auswirkt, bleibt die Frage weiter interessant.
Der Fall
A machte in seiner Einkommensteuer-Erklärung für 2021 für eine im November 2022 tatsächlich angeschaffte Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,20 kW (peak) einen Investitionsabzugsbetrag als vorweggenommene Betriebsausgaben für den Gewerbebetrieb „Photovoltaikanlage“ geltend. Das Finanzamt (FA) erkannte den Abzugsbetrag zunächst steuerlich an. Im Rahmen der Prüfung der Einkommensteuer-Erklärung für das Jahr 2022 wurde sodann festgestellt, dass die Einnahmen und Entnahmen aus der angeschafften Photovoltaikanlage nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind. Das FA machte daraufhin den im Jahr 2021 in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag rückgängig (§ 7g Abs. 3 EStG). Er könne nicht mehr wirksam hinzugerechnet werden2. Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens beantragte A die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 361 Abgabenordnung (AO). Das FA gewährte die AdV nicht. Daraufhin stellte A beim FG Köln einen Antrag auf AdV (§ 69 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die Entscheidung
Das FG Köln lehnte die AdV mit Beschluss vom 14.03.2024 ebenfalls ab. Nach summarischer Prüfung bestehen nach Auffassung des FG Köln keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides. Das FG hat sich also der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen, dass der Steuerpflichtige aufgrund der Gesetzesänderung durch das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 (BGBl. I 2022 Nr. 51, S. 2294) mit Wirkung zum 01.01.2022 eine gewinnerhöhende Hinzurechnung im Sinne des § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2022 nicht mehr vornehmen konnte. Es sei ihm gemäß § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG verwehrt gewesen, eine Gewinnermittlung für seinen Betrieb zu erstellen. Die Voraussetzungen des § 7g Abs. 3 Satz 2 seien demnach erfüllt; der IAB im Jahr des Abzugs (hier: 2021) rückgängig zu machen.
Gegen die Rückgängigmachung des IAB bestünden bei summarischer Prüfung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere lägen keine Verstöße gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vor. Durch die Rechtsfolgen des § 3 Nr. 72 EStG sei unmittelbar keine belastende Wirkung zuungunsten der Steuerpflichtigen eingetreten, sondern im Gegenteil eine begünstigende Wirkung durch eine Steuerbefreiung der gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage von der Einkommensteuer entstanden.
Aus diesem Grund sei eine verfassungswidrige Rückwirkung und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes bereits aufgrund der begünstigenden Rechtsfolgenwirkung der Norm ausgeschlossen. Der Umstand, dass mit der rückwirkenden Steuerbefreiung im Einzelfall als Rechtsreflex auch steuerlich nachteilige Folgen einhergingen, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Bestand des zunächst gewährten IAB stünde vielmehr immer unter dem Vorbehalt der möglichen Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 3 EStG, wenn eine Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 EStG innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums nicht erfolge.
Ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung der AdV sei im vorliegend zu entscheidenden Einzelfall ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass die Rückgängigmachung des IAB für den Steuerpflichtigen zu einer derart schwerwiegenden Belastung führe, dass ihm irreparable Nachteile drohen würden.
Das FG hat die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Beschwerdeverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen III B 24/24 anhängig.