RICHARD BOORBERG VERLAG

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17.03.2025

Inanspruchnahme eines Erben für Kfz-Steuer bei ungeklärter Erbfolge?

   

Darf das Hauptzollamt die potenziellen Erben für Kfz-Steuern, die nach dem Tod der Erblasserin entstanden sind, nicht in Anspruch nehmen, wenn die Erbfolge (noch) nicht geklärt ist?

O, die Großmutter von A und B, war vor ihrem Tod im Jahr 2022 Halterin von mehreren Kraftfahrzeugen. Neben A und B beanspruchte auch S, der Sohn von O, die Erbenstellung. Da damit die Erbfolge noch nicht vollständig geklärt ist, setzte das Amtsgericht einen Nachlasspfleger ein.

A und B wurden vom Hauptzollamt aufgefordert, die bereits vor dem Tod von O festgesetzte Kfz-Steuer für Zeiträume nach deren Tod zu bezahlen. Dagegen legten A und B Einsprüche ein, da sie nicht Gesamtrechtsnachfolgerinnen von O seien. Gleichzeitig stellten sie Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Hauptzollamt lehnte die AdV ab. Die Einsprüche seien unbegründet. In der Tatsache, dass A und B Erbscheine beantragt hatten, sei eine konkludente Annahme der Erbschaft zu sehen. Daraufhin erhoben A und B Klage.

Noch keine gerichtliche Entscheidung über Klage

Über die Klage ist noch nicht entschieden. Aber den zugleich gestellten gerichtlichen Anträgen auf AdV wurde stattgegeben, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgebote bestehen.

Anspruch gegen unbekannte Erben bei ungeklärter Erbfolge

Es steht nicht fest, dass A und B die alleinigen Erbinnen von O sind. Die Erbfolge ist wegen S, des Sohns von O, vielmehr ungeklärt. Bei ungeklärter Erbfolge sind die Ansprüche gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, zu richten. Eine persönliche Inanspruchnahme potenzieller Erben scheide aus.

Schuldner der festgesetzten Kfz-Steuer bei Tod des Halters ungeklärt

Es bestehe zudem Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, was mit der „Haltereigenschaft“ im Sinne der verkehrsrechtlichen Zulassung nach dem Tod eines Halters rechtlich geschieht und wer Schuldner der festgesetzten Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit nach dem Tod des eingetragenen Halters ist. In Frage kommen insoweit die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Halters, solange das Fahrzeug auf den verstorbenen Halter zugelassen ist, oder die (ungeteilte) Erbengemeinschaft als neue Halterin und „Vereinigung“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) selbst. Im ersten Fall würde sich möglicherweise die Steuerschuld auf den Nachlass beschränken, im zweiten Fall könnte die Erbengemeinschaft bis zur Teilung des Nachlasses selbst Steuerschuldnerin nach § 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) sein. Zu dieser kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Frage ist – soweit für das erstinstanzliche Finanzgericht ersichtlich – bisher keine eindeutige gerichtliche Entscheidung ergangen.

Haltereigenschaft als Anknüpfungspunkt für Kfz-Steuer

Da die Kfz-Steuer an die Haltereigenschaft anknüpft und die Fahrzeuge weiterhin auf den Namen von O angemeldet sind, spricht viel dafür, die Kfz-Steuer als Nachlassverbindlichkeit anzusehen. Andererseits besteht für Zeiträume nach dem Tod kein Bezug zum Nachlass und es liegt wegen des Todes eines Halters auch nicht nur eine „zeitweilige“ Verhinderung des Halters zur Fahrzeugnutzung vor. Da die Haltereigenschaft als solche nicht vererbt werden kann, hätten die Erben die Fahrzeuge zunächst ummelden müssen, was aber nicht möglich war, da die Erbfolge nicht geklärt ist.

Für eine Abmeldung der Fahrzeuge muss zunächst ermittelt werden, wer sich im Besitz der amtlichen Kennzeichen und Bescheinigungen befindet. Damit liegt nicht nur eine bislang unentschiedene Rechtsfrage, sondern auch ein ungeklärter Sachverhalt vor, der im Hauptsacheverfahren ermittelt werden muss.

Kein Auswahlermessen, kein Hinweis auf Gesamtschuldnerschaft

Das Hauptzollamt habe kein Ermessen ausgeübt, als es die beiden Enkelinnen als Steuerschuldnerinnen auswählte, denn auch S als Sohn von O kommt als weiterer Erbe in Betracht. Außerdem versäumte es das Hauptzollamt, A und B darauf hinzuweisen, dass sie als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch genommen werden.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
FG Münster, Urteile vom 08.06.2024 – 2 V 693/24 und 2 V 699/24