R betrieb seit 1999 ein Restaurant sowie diverse Bringdienste. Er ermittelte seinen gewerblichen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Absatz 3 Einkommensteuergesetz/ EStG). Seit Sommer 2017 hat R das Restaurant an die X-GmbH verpachtet. Alleinige Gesellschafterin der X- GmbH ist die Y-Limited mit Sitz in Großbritannien. R selbst ist seit August 2017 bei der GmbH als Angestellter nicht selbstständig tätig.
Die Veranlagungen zur Einkommensteuer der Streitjahre erfolgten zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß, wobei die Bescheide für 2012 und 2013 gemäß § 164 Absatz 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust wurde auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012 festgestellt. Auf den 31.12.2013 war eine gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) mangels vortragsfähigen Gewerbeverlustes nicht mehr durchzuführen. Die Umsatzsteueranmeldungen für 2011 bis 2013 standen gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau las das Finanzamt die elektronische Registrierkasse von R aus. Er hatte seit Betriebseröffnung im Jahr 1999 eine elektronische Registrierkasse SKS TS 400 benutzt. Diese Kasse war nicht in der Lage, alle Einzeldaten für zehn Jahre zu speichern. Eine Aufrüstung der Kasse durch Softwareanpassungen und Speichererweiterungen war bauartbedingt nicht möglich. Bei der Kassenauslesung stellte das Finanzamt fest, dass die ausgedruckten Berichte (Warengruppenbericht, Bedienerbericht, Zeitzonenbericht und so weiter) keine Umsätze der vorangegangenen Tage auswiesen. Die Uhrzeit der ausgedruckten Abfragen habe um 00:45 Uhr begonnen. Nach Angaben von R sei während der Kassenauslesung die Sicherung herausgesprungen, weshalb die Stromzufuhr unterbrochen worden sei. Deshalb seien die Kassendaten der vorherigen Tage gelöscht worden. Des Weiteren stellte das Finanzamt fest, dass die Einzeldaten zu den Bringdienstbestellungen nicht gespeichert worden und nur Kundendaten vorhanden waren. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau händigte das Finanzamt R ein Merkblatt zur Kassenführung aus und wies ihn darauf hin, die festgestellten Mängel künftig abzustellen. Im Anschluss ordnete das Finanzamt eine allgemeine Außenprüfung für Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer der Jahre 2011 bis 2013 an. Die Außenprüfung stellte insgesamt über alle Geschäftsbereiche hinweg, also sowohl in der Kassenführung als auch der Abrechnung von Rabatten und Gutscheinen sowie bei den Bringdiensten oder dem Getränkeeinkauf, gravierende Mängel fest.
Schätzung zulässig bei nicht möglicher Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen
Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln kann. Gemäß § 162 Absatz 2 Satz 1 AO ist insbesondere zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert. Nach § 162 Absatz 2 Satz 2 AO gilt das Gleiche, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige zu führen hat, nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können.
Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts
Gemäß § 96 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheidet das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 AO gelten sinngemäß. Dem Finanzgericht steht damit nicht nur die Kompetenz zur Überprüfung der behördlichen Entscheidung auf (Ermessens-)Fehler zu. Das Finanzgericht hat vielmehr eine eigene Schätzungsbefugnis. Die Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unabhängig davon, ob und wie das Finanzamt geschätzt hat.
Die Schätzung kann nach Auffassung der ersten Instanz in diesen Fallgestaltungen auf der Basis der Schätzung von durchschnittlichen Tagesumsätzen erfolgen.