RICHARD BOORBERG VERLAG

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24.02.2025

Hemmung der Verjährung wegen Durchsuchung durch Steuerfahndung

   

Wann wird die Verfolgungsverjährung unterbrochen? Die Antwort gibt die folgende Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).

Auf den Namen von S war im Streitjahr 2001 ein gewerbliches Einzelunternehmen unter der Bezeichnung X angemeldet. Steuerberater dieses Unternehmens war der B, der Bruder von S, Geschäftsführerin war F, die Ehefrau von B.

S reichte ihre 2001er-Einkommensteuererklärung 2002 ein. Der Steuerbescheid 2001 wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen (§ 164 Abgabenordnung (AO)). In dem Änderungsbescheid wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb erheblich erhöht, weil Beträge, die S als Betriebsausgaben erklärt hatte, nicht mehr gewinnmindernd berücksichtigt wurden. Streitig ist, ob der Änderungsbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen worden ist, denn eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 164 Abs. 4 AO; § 169 AO).

Im Mai 2006 wurden die Geschäftsräume der X durchsucht. Die Ermittlungen richteten sich zunächst nicht gegen S, sondern gegen eine dritte Person. Nachdem der Steuerfahndungsbeamte die Überzeugung gewonnen hatte, dass er gegen die falsche Person ermittelte, leitete er gegen S am selben Tag ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer für 2001 wegen Geltendmachung von nicht angefallenen Betriebsausgaben ein. Er gab jedoch die Einleitung der S nicht förmlich bekannt. Ferner ordnete er am selben Tag in dieser Ermittlungssache gegen S wegen Gefahr im Verzug „als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft“ die „Durchsuchung der Geschäftsräume der Fa. X“ an. Ferner protokollierte er im Rahmen einer „Nachweisung“ in einem Formular der Steuerfahndungsstelle, wiederum im Strafverfahren gegen S die Beschlagnahme und Sicherstellung von Unterlagen. Im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht wurde der „Erlass eines von Durchsuchungsbeschlüssen durch das AG N... im Steuerstrafverfahren gegen ... 27.10.06“ vermerkt.

Die Akten des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, auf die in der vorstehend zitierten Passage des Ermittlungsberichts verwiesen wird, sind bereits vernichtet worden. Weder Fahndungsprüfer noch Sachgebietsleiter konnten sich an Einzelheiten des Vorgangs erinnern. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen S wurde eingestellt, weil kein Vorsatznachweis geführt werden konnte (§ 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)) eingestellt. Stattdessen wurde gegen sie eine Geldbuße wegen leichtfertiger Steuerverkürzung festgesetzt. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Finanzgerichts war die fünfjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO), die grundsätzlich am 31.12.2007 geendet hätte, nach § 171 Abs. 7 AO bis zum 27.10.2011 gehemmt gewesen. Gegen dieses Urteil legte S Revision ein – mit Erfolg.

Zur Unterbrechung der Verjährung genügen Anordnungen von Steuerbeamten nicht

Nur Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnungen der Verfolgungsbehörde oder des Richters unterbrechen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) die Verfolgungsverjährung, nicht aber Anordnungen der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Eine Durchsuchungsund Beschlagnahmeanordnung eines Steuerbeamten ist nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG stellt eindeutig klar, dass nur eine Behörde oder ein Richter eine Durchsuchungsanordnung, die als Unterbrechungshandlung einzuordnen ist, treffen darf. Steuerfahnder sind nicht als Behörde einzustufen, da es – anders als bei Polizisten nach § 53 Abs. 2 OWiG – an einer gesetzlichen Norm fehlt, die auch Steuerbeamte zu Hilfsbeamten der Steuerbehörde erklärt.

Gesetzliche Tatbestandswirkung nur bei Rechtskraft der Entscheidung Durchsuchungsanordnungen müssen angesichts ihrer Grundrechtsrelevanz inhaltliche Mindestanforderungen erfüllen – so unter anderem tatsächliche Angaben über den Tatvorwurf, Angabe der Art und des denkbaren Inhalts der Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt. Sind diese inhaltlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt, hat eine Durchsuchungsanordnung nicht die in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG vorgesehene verjährungsunterbrechende Wirkung.

Folglich war auch der Aktenvermerk, wonach das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen habe, unerheblich. Es trat keine Ablaufhemmung ein. Es war nicht klar, ob der Beschluss des Amtsgerichts rechtmäßig war. Da er nicht mehr auffindbar ist, könne man nicht mehr klären, ob die grundgesetzlichen Anforderungen eingehalten worden waren.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
BFH, Urteil vom 31.01.2024 – X R 7/22.