RICHARD BOORBERG VERLAG

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08.01.2024

Gezahlte Steuern sind nicht zwangsläufig Nachlassverbindlichkeiten

   

Einkommensteuer sowie die damit in Zusammenhang stehenden Nebensteuern wie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, die durch die rückwirkend erklärte Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs durch die Erben entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG).

A, B, C, D, E und F sind Miterben zu gleichen Teilen nach dem verstorbenen Erblasser X. X war Inhaber eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen (LuF-)Betriebs. Die Erben erklärten nach dem Tod des X die Aufgabe des LuF-Betriebs auf einen Zeitpunkt vor dem Tod des X unter Inanspruchnahme der Rückwirkung von maximal drei Monaten nach § 16 Abs. 3b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 01.11.2011.

Hierdurch entstand ertragssteuerrechtlich ein Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 14 Satz 2 EStG. Das für die Festsetzung der Einkommensteuer des X zuständige Finanzamt setzte Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2016 unter Einbeziehung dieses Aufgabegewinns fest.

Mit Erbschaftsteuerbescheiden setzte das Finanzamt jeweils Erbschaftsteuer gegenüber A, B, C, D, E und F fest. Die auf den Aufgabegewinn entfallende Einkommensteuer sowie die Nebensteuern ließ es nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug vom Erwerb der Erbschaft zu. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage vor dem erstinstanzlichen Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision machen die Kläger eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und § 16 Abs. 3b EStG geltend – ebenfalls erfolglos.

Nachlassverbindlichkeiten auch ohne rechtliche Verpflichtung

Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, LuF-Betrieb oder Anteil an einem LuF-Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind. Der Abzug setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden hat.

Rechtliches Entstehen zweitrangig

Bei einem Erwerb von Todes wegen können sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd auswirken, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist jedoch, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb „für den Erblasser“ als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht. Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers, steht fest, dass die Belastung kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahrs eintreten wird. Dabei ist grundsätzlich unschädlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch Steuerverbindlichkeiten der Höhe nach nicht genau feststeht, weil noch mögliche Wahlrechte ausgeübt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten können.

Rückwirkende Betriebsaufgabe ändert die Lage

Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn die Erben nach § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG einkommensteuerrechtlich rückwirkend die Aufgabe des LuF-Betriebs auf einen Zeitpunkt vor dem Tod des Erblassers erklären. In diesem Fall können sie die Einkommensteuer, die auf den Aufgabegewinn entsteht und die damit in Zusammenhang stehenden Nebensteuern nicht als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug bringen.

Verhältnisse zum Todeszeitpunkt entscheidend

Zwar handelt es sich bei der gemäß § 38 Abgabenordnung in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandenen Einkommensteuer um diejenige des Erblassers für sein Todesjahr, allerdings entstand der Aufgabegewinn in Bezug auf den LuF-Betrieb erst durch die Aufgabeerklärung der Erben A, B, C, D, E und F. Der Erblasser X selbst hatte vor seinem Tod keine Aufgabeerklärung abgegeben, sodass im Zeitpunkt seines Tods ein LuF-Betrieb auf die Erben überging.

Folglich setzte erst die Aufgabeerklärung der Erben die entscheidende Ursache für die rückwirkende Aufgabe des LuF-Betriebs und die hierdurch entstandene Einkommensteuer zuzüglich der Nebensteuern. Da die durch die Aufgabeerklärung der Erben begründeten Steuern nicht vom Erblasser herrühren, ist nicht entscheidungserheblich, dass zum Todeszeitpunkt auch keine wirtschaftliche Belastung des Erblassers vorlag.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
BFH, Urteil vom 10.05.2023 – II R 3/21